Was Du über (d)eine Rentenversicherung wissen solltest
Ob als Riester, Rürup, betriebliche Altersvorsorge oder ganz privat – kaum ein Finanzprodukt ist so umstritten wie die private Rentenversicherung. Als zu teuer, zu unrentabel und zu unzuverlässig ist sie drauf und dran, sich den Ruf als des Deutschen liebstes Altersvorsorgeprodukt zu verspielen.
Um Dir aber unabhängig von Medienschelte und politischer Diskussion eine eigene Meinung bilden zu können, ist es nötig, über ein paar Grundsätzlichkeiten Bescheid zu wissen: So bist Du auch für das nächste Gespräch über deine Altersvorsorge gewappnet.
Renten- und Lebensversicherungen sind 2 Paar Schuhe
Diese Unterscheidung ist leider kein Allgemeinwissen*, dabei ist sie existenziell:
Eine Lebensversicherung sichert das Risiko Deines zu frühen Todes ab, während eine Rentenversicherung das Risiko eines zu langen Lebens absichert.
Seit Lebensversicherungen so in Verruf geraten sind, lieben es die Versicherungskonzerne, den Kunden mit den Bezeichnungen ihrer Produkte im Unklaren zu lassen.
Ob Du also eine Lebens- oder Rentenversicherungspolice Dein eigen nennst, ist also nicht ohne weiteres am Namen zu erkennen, es lohnt sich aber, hier genauer nachzuforschen:
Die Konzeption dieser beiden Produkte ist nämlich vollkommen unterschiedlich.
Während Du bei der Lebensversicherung während der Ansparzeit innerhalb Deines Beitrags auch eine Risikoprämie für Deinen frühen Tod mitbezahlst, so bezahlst Du die Riskoprämie für Dein langes Leben bei der Rentenversicherung erst später, nämlich durch die reduzierte Höhe Deiner monatlichen Auszahlung.
Klar wird die Konzeption am stark vereinfachten Beispiel:
Von 100,- Euro Beitrag werden bei der Lebensversicherung monatlich nur 80,- Euro auf Dein Kapitalkonto eingezahlt, die Risikoprämie von 20,- € ist gleich perdue – Du könntest ja schließlich morgen schon sterben. Falls Dir dieses Unglück zustoßen sollte, müsste die Versicherung den kompletten Versicherungsbetrag an deine Hinterbliebenen auszahlen, auch wenn bisher auf Deinem Konto nur 80,- Euro Sparbeitrag stehen.
Bei der Rentenversicherung sieht das ganz anders aus: Hier fließt der komplette Beitrag (wir lassen die Kosten für Verwaltung, Abschlussgebühr usw. jetzt auch hier außen vor) in Dein Kapitalkonto und wird von der Versicherung angelegt, bis die Fälligkeit erreicht ist. Die Risikoprämie bezahlst Du, indem Deine monatlichen Rente niedriger ist, als es nach Adam Riese eigentlich sein sollte – es sei denn, Du lebst nach der Fälligkeit noch deutlich länger als statistisch angenommen.
Anhand dieser unterschiedlichen Konzepte ist es eigentlich klar, dass eine Lebensversicherung kein geeignetes Produkt zur Altersvorsorge ist. Da diese Produktart aber durchaus gewinnträchtig ist, versuchen manche Versicherungskonzerne, sie in Produkten mit irreführenden Bezeichnungen zu verstecken.
Merke: Aus altersvorsorgetechnischer Sicht gibt es keinen sinnvollen Grund, eine kapitalbildende Lebensversicherung zu kaufen.
Rentenversicherungen sind Wanderschuhe, keine Ballerinas
Ganz wichtig ist es, sich darüber klar zu sein, dass Rentenversicherungen ein ganz klares Altersvorsorgeprodukt sind – nicht mehr und nicht weniger. Selbst wenn Du 120 Jahre alt wirst, so wird die Rentenversicherung Dir vielleicht nicht gerade eine Glückwunschkarte zum Geburtstag schicken – aber sie wird weiterhin klaglos Deine monatliche Rente überweisen.
Diese Sicherheit bietet Dir außer der gesetzlichen Rentenversicherung kein anderes Finanzprodukt.
Außer wenn Du sehr vermögend bist und Dich finanziell nichts erschüttern kann, ist ab einem gewissen Punkt nämlich alle Planung* Makulatur:
Du kannst nicht wissen, wie alt Du wirst – und deshalb kannst Du nicht wissen, wie viel Geld Du wirklich brauchst. Baust Du Dir ein Vermögen auf, dass Dich bis 85 Jahre ernährt, so kannst Du nur mit einer ausreichend dimensionierten Rentenversicherung sicher sein, nicht doch noch mit 86 noch aufs Amt laufen zu müssen.
Das ist der einzige Grund, eine Rentenversicherung zu haben.
Genauso lange wie Rentenversicherungen nach hinten raus auszahlen, genauso wichtig ist es darum, eine Rentenversicherung so lange als möglich laufen zu lassen. Die Faustformel ist einfach: Umso länger die RV läuft, umso höher ist das angesparte Kapital.
Egal, was dir ein Versicherungs- oder Bankmensch erzählen mag: Bevor Du eine Versicherung, die bereits 10 oder 20 Jahre läuft, kündigst, sei Dir bewusst, dass auch hier der Zinseszins die Versicherung erst am Ende der Laufzeit fett macht.
Merke: Wenn Du Deine Rentenversicherung aus den richtigen Gründen abschließt, wirst Du niemals in die Verlegenheit kommen, darüber nachzudenken, ob Du sie vorzeitig auflösen solltest.
Wanderschuhe mit hohen Absätzen sind dysfunktional
Es sei denn, Du hast ein Kombi-Produkt.
Kombinationsprodukte sind die große Mogelpackung der Versicherungsindustrie: Hier wird versteckt, geschummelt und verschleiert was das Zeug hält!
Eine Rentenversicherung, die mit einem Berufsunfähigkeitsschutz, Unfallzusatz, gleichzeitiger Todesfallabsicherung, Garantiezeiten und diversen Dynamiken ausgestattet ist, ist für einen normalen Verbraucher fast nicht mehr zu bewerten: Wie viele Kosten sind da eigentlich inkludiert? Wie viel Abschlussprovision fällt an? Wann zahlt wer wohin wie viel?
Das Risiko, mit einem Kombinationsprodukt auf die Nase zu fallen, ist hoch:
Ist die BU ausreichend dimensioniert und zahlt sie auch dann, wenn Du sie brauchst? Was passiert, wenn Du die Beiträge ruhen lassen musst? Warum brauchst Du einen Todesfallschutz wenn Du alleine bist (außerdem gibt es dafür Risikolebensversicherungen)? Brauchst Du eine Rentengarantiezeit zu Lasten der Rentenhöhe?
Eine solche Versicherung hast Du mit ziemlicher Sicherheit nicht aus den richtigen Gründen abgeschlossen – eine solche Versicherung wurde Dir verkauft.
Merke: Produkte, die Dir als eierlegende Wollmilchsau verkauft wurden, sind durchaus darauf zu prüfen, ob sie wirklich Deinen Zwecken genügen – und wenn sie es nicht tun, so ist es legitim, jedes Hintertürchen zu nutzen, um sie wieder loszuwerden.
Mit Wanderschuhen kannst Du nicht rennen
Eine Sonderform der Kombiprodukte sind die fondsbasierten Rentenversicherungen, hierzu gehören auch die sogenannten Indexpolicen.
Auch hier wird versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:
Je nach Bedarf wird Dir die Geldanlage als Versicherung oder die Versicherung als Geldanlage verkauft.
Wie läuft das denn wirklich?
Bei einer fondsbasierten Rentenversicherung steckt die Versicherung Deinen Beitrag nicht in ein „normales“ Kapitalkonto, sondern sie steckt es in verschiedene Fonds.
Selbstverständlich tut sie das in der Absicht, Dir mehr Gewinne zu erwirtschaften als sie es könnte, würde sie das Geld „normal“ anlegen.
Da sie sich dessen aber selbst nicht so sicher ist, gibt sie Dir keine Garantie auf eine feste Versicherungs- oder Rentensumme. Sie gibt dir (je nach Tarif) eine Garantie auf einen gewissen Betrag, z. Bsp. 25,- Euro Rentengarantie pro 10.000,- € Deines angesparten Fondsvermögens.
Erreicht das angesparte Fondsvermögen dann z. Bsp. 50.000,- €, so bekommst Du 5 x 25 = 125,- Euro Monatsrente.
Wenn es richtig gut läuft, erhältst Du natürlich entsprechend mehr.
Knackpunkt an der Sache ist:
Fallen die Märkte kurz vor der Fälligkeit Deiner Versicherung um die Hälfte, so fällt natürlich auch dein Depotvermögen – und damit bekommst Du eben nur 62,50 € Rente.
Merke: Kaufst Du eine Rentenversicherung aus dem richtigen Grund (nämlich planbare Sicherheit zu haben), so ist eine fondsbasierte Rentenversicherung nicht das Mittel der Wahl. Der Spatz in der Hand ist immerhin auch ein Vogel.
[bctt tweet=“Ein-Blick in die private #Rentenversicherung: Was Du darüber wissen solltest. #finanzbildung“ username=“geldwert_anette“]
Das richtige Schuhsortiment macht die gute Altersvorsorge
Seien wir ehrlich, einfache Rentenversicherungen sind langweilig. Vermittler und Konzerne verkaufen die einfachen Treter nicht so gerne wie die supermodernen, straßgetarnten und funktionskombinierten High-Tech-Wanderschuhe, an denen sie natürlich deutlich mehr verdienen.
Dir bringen sie keine großartige Rendite und kosten auch noch eine Menge Gebühren.
Aber sie sind die zuverlässigsten Latschen für den Aufbau einer soliden Grundversorgung im Alter. Sie sind einfach zu verstehen, leicht nachzurechnen, zuverlässig in der Leistung und vergleichbar in der Kostenstruktur.
Ihre Aufgabe ist es, Dich grundzuversorgen – egal wie lange Du lebst und egal, was Dir sonst in Deinem Leben passiert.
Wenn Du Dir also darüber im Klaren bist, welche finanzielle Grundversorgung* Du später benötigst, so ist der Aufbau dieser Grundabsicherung denkbar einfach:
Die Schuhe, die Dich bis zum Tode tragen, sind die gesetzliche (wenn vorhanden) und die private (auch mit Riester, Rürup und bAV) Rentenversicherung.
Um Deinen Lebensstandard zu erhalten und lebensfroh von A nach B zu laufen, brauchst Du zusätzlich ordentliche Strassenschuhe und ein paar „für gut“ (Vermögensaufbau in jeglicher – versicherungsferner! – Form).
Und wenn Du später auch noch auf dem Wiener Opernball tanzen möchtest, dann kommst Du nicht umhin, Dir auch noch die passenden Ballschuhe (strukturierter Vermögensaufbau, Investition und Unternehmertum) zuzulegen.
Merke: Eine Rentenversicherung ist eine Versicherung ist eine Versicherung. Alles andere ist Verkaufsgespräch und Verwirrungstaktik.
Außerdem: Ich habe ein Selbstlern-Webinar über private Rentenversicherungen aufgenommen. Mit dem Wissen, Know-How und der ultimativen Was tun?-Checkliste aus diesem Webinar wirst Du gut entscheiden können, ob Du in Deinem bestehenden Produkt gut aufgehoben bist oder welche Form der Rentenversicherung Du Dir für Deinen planbaren Teil der Altersversorgung gerne näher anschauen willst-> https://www.finanzbildung.jetzt/webinar-rentenversicherungen-2/
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Dieser Artikel darf gerne geteilt, gelikt und ausschnittsweise kopiert (bitte mit Quellenangabe) werden: Dieses Wissen ist wichtig und wertvoll und soll möglichst vielen Verbrauchern helfen.
In einem einzigen Artikel kann ich nicht alle Fragen vorwegnehmen und nicht alle Aspekte erschöpfend beleuchten, ich freue mich aber sehr, wenn Du mir Deine Anmerkungen und Fragen in das Kommentarfeld schreibst.
Weitere Grundsatzartikel in diesem Blog:
–> Fragen an Deinen Finanzberater – Ist er der Richtige?
–> Der Königsweg zum Eigenheim
–> Wenn Mama sich selbständig macht – Wie versichern?
*Finanzielle Allgemeinbildung, Aufklärung und Rechen-Know-How findest Du außer in meinem Präsenzworkshops auch online im Selbstlernkurs www.finanzbildung-online.de.
Eine persönliche Anmerkung für die Kollegen, Kritiker und Trolle (um Missverständnissen vorzubeugen):
Es ist Teil der Finanzbildung, über diese Produktgattung genauso aufgeklärt zu sein wie über die Funktionsweise der gesetzlichen Rentenversicherung. Ich vermittle und verkaufe weder Renten- noch sonstige Versicherungen, meine positive Einstellung zur klassischen privaten Rentenversicherung basiert auf logischen Schlussfolgerungen und hat keinerlei persönlichen wirtschaftlichen Hintergrund.
Versicherungen haben, genauso wie Banken, wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen – und auch wenn ich persönlich vielen Machenschaften und vielen Produkten der etablierten Finanzindustrie sehr skeptisch gegenüberstehe, so erkenne ich ihre grundsätzliche Sinnhaftigkeit doch gerne an und erkläre die Zusammenhänge möglichst einfach.
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