Sich fundiert selbständig zu machen ist so ähnlich, als bekäme man ein gewolltes Kind.
Die Vorfreude ist riesig, man informiert sich, rechnet und plant, richtet ein und stellt sich die Zukunft vor.
Von allen Seiten hagelt es gute und gut gemeinte Ratschläge, die üblichen Bedenkenträger melden ihre Bedenken an und leicht genervt lässt man all diese Meinungen über sich ergehen.
Tief in sich drin weiß man schließlich ganz genau:
Bei meinem Kind/Geschäft wird das alles ganz anders!
Und dann:
Selbstverständlich ist alles ganz anders – und doch ist alles genau gleich.
Der blöde Spruch “ Du arbeitest dann selbst und ständig“ ist sehr viel wahrer als man glaubte.
Schlaflose Nächte kosten trotz kalkulierter Erziehungs- und Entwicklungsmethoden viel Kraft.
Bis das Geschäft von selbst laufen kann, muss es unzählige Male vorm Umfallen bewahrt werden.
Die Trotzphasen, das Eigenleben, dass so ein Geschäft entwickelt, erfordert weitaus mehr Flexibiltät, als man sich vorgestellt hatte:
Wer nicht mit-wächst und sich an Markt und Kundenwille anpasst, wird kein erfolgreiches Geschäft hervorbringen.
Aber während in echten Familien die meisten Eltern ab dem 4/5 Lebensjahr (hoffentlich) ein gesundes Vertrauen zu ihren Kindern entwickeln und so eine – zumindest teilweise – Entspannung einsetzt, so ist es ungleich schwerer, zum Kind mit Namen „Geschäft“ ein ebensolches Vertrauen zu entwickeln.
In das eigene Geschäft zu vertrauen, es loszulassen (und trotzdem motiviert und mit allen Kräften daran zu arbeiten) ist eine echte Herausforderung.
Denn zwischendurch kommt sie immer wieder, die Sinnkrise. Jedenfalls bei mir. Und bei vielen Frauenunternehmerinnen, die ich gut genug kenne, als dass sie mit mir über sowas sprechen würden. *
Auslöser für diese Sinnkrisen kann alles Mögliche sein:
Die neuesten Zahlen des Steuerberaters eignen sich gut (Hallo, wir kennen unsere Zahlen doch – das ist doch wirklich keine Überraschung!?) oder ein blöder facebook-Kommentar.
Es genügt auch ein abgelehntes Angebot (jaaaa, wir können nicht für jeden der Richtige sein, wo ist das Problem? Jede Ablehnung ist eine gelegenheit zum Lernen!) oder zu wenige neue Newsletterabonnenten in dieser Woche – der Auslöser ist eigentlich egal.
Genau betrachtet, ist es eine Nichtigkeit.
Eine Nichtigkeit, die uns für einen oder mehrere Tage vollkommen die Laune versaut und die Motivation ruiniert.
Ist das „so ein“ Frauenproblem?
Ein Symptom des berühmten Hochstapler-Syndroms? Oder eine Art Unternehmer-PMS?
Was genau es ist, weiß ich nicht – ich weiß nur, daß es unendlich nervig ist.
Gefährlich sind diese Sinnkrisen wohl nicht. Zumindest dann nicht, wenn man/frau sich ihnen nicht überlässt und sie im Auge behält.
Nach meiner Erfahrung scheinen sie sogar ganz normal zu sein.
Hey, wir wissen doch, dass wir es schon weit gebracht haben – immerhin sind wir noch am Markt!
Es gilt, sich durch die Tristesse durchzulavieren:
Zwei Tage Netzabstinenz sollen für onlineaffine Unternehmer schon Wunder bewirkt haben.
Gut tut es ebenfalls, sich den Unternehmerjammer auch mal zu erlauben:
Einen Tag lang kräftig Trübsal blasen und am nächsten Morgen einfach weiter machen – manchmal lässt sich die Motivation mit Arbeit wieder herbeizwingen.
Auch hilfreichist es, sich ein paar Tage lang aufzuschreiben, was heute im Geschäft gut gelaufen ist. Mach Dir klar:
Du hast es bis hierher doch schon geschafft! Wäre deine Idee, Deine Geschäftstüchtigkeit, Dein Durchhaltevermögen nicht genug, so hättest Du doch schon lange abgesperrt.
Und als Haurucklösung kann – für ansonsten ungefährdete Unternehmer – auch ein gepflegter Rausch am Freitagabend ausnahmsweise mal (!) als Hebel aus seiner Grüblerei und Unsicherheit dienen.
[bctt tweet="Manchmal ist Alkohol eben doch eine Lösung-ein ordentlicher Kater vertreibt jeden Katzenjammer!"]
Königsweg ist es aber, mit jemand Gleichgesinntem darüber zu sprechen:
Klar, dass das nicht Deine gesammte Facebookgemeinde oder obige Bedenkenträger (denn die haben ja immer schon gewusst, dass Du auf Dauer keinen Erfolg haben wirst) sein sollte.
Deine Familie und Deine Freunde sind meist zu nah dran und sind deshalb nicht objektiv genug, leider sie auch sind die falsche Adresse.
Jetzt beweist sich, warum Du Dich in einem guten beruflichen Netzwerk engagiert haben solltest:
Denn die Kunst bei dieser Sache ist es, sie einordnen zu lernen.
Ist diese Unterbehmerdepression ein ernstzunehmendes Anzeichen, sich zu viel zugemutet zu haben?
Oder ist die Nichtigkeit vielleicht doch der Tropfen, der die bereits übervolle Schüssel der unternehmerischen Stagnation/der Fehlerfolge zum Überlaufen bringt und ein grundsätzliches Umdenken erzwingen sollte?
Es gilt, den sicheren Grat zu finden, der zwischen: „Augen zugemacht und eine Entwicklung verpasst“ (was einen die unternehmerische Existenz oder die geistige Gesundheit kosten kann) und „Ja, ist nun mal so. Ich vertraue meinem Geschäft und mir selbst. Geht vorbei.“ verläuft.
Der geschützte Rahmen eines Netzwerks, ein wohlwollendes Umfeld und ein verständiger Draufblick sind Gold wert und rücken gegebenfalls die Nichtigkeit genau dahin, wohin sie gehört: ins Abseits.
*Ich vermute, dass es auch Unternehmer-Männer betrifft, für Bestätigung/Verneinung bin ich im Rahmen meiner nicht-empirischen Studie sehr dankbar.
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