Da es Frauen naturgemäß leichter fällt, anzuerkennen, dass sie in einem Thema, welches sie nicht sofort durchschauen, Unterstützung brauchen, setzt sich mein Kundenklientel aus ca. 75 % Frauen und nur 25 % herzlich willkommener Männer zusammen. Und von diesen Männern und Frauen sind ca. 80 % in einer festen Beziehung oder verheiratet, die meisten davon haben auch gemeinsame Kinder. Erstaunlicherweise nehmen Paare aber recht selten gemeinsam die Arbeit mit mir auf, meist kommt einer allein.

Warum verpartnerte Frauen alleine kommen

Und jetzt wird es krude. Während die meisten Männer alleine kommen, weil ihre Frau aus Desinteresse oder Überbeschäftigung bei meinen Bildungs- und Coachingpaketen nicht dabei sein will, („Wunderbar, dass er sich kümmert –  soll er mal machen – es wird schon stimmen!“), kommen viele Frauen alleine zu mir, weil ihr Mann nicht will.
Er will nicht. Nicht mit ihr zusammen und schon gar nicht mit jemand Außenstehendem wie mir.
Denn erstens geht es niemanden etwas an, wie es bei ihnen finanziell (nicht gut?) geregelt ist und zweitens würde eine solche Arbeit in der Konsequenz ja bedeuten, etwas verändern zu müssen – und fast nichts macht mehr Angst als Veränderung.

Rollen sind normal

In jeder Beziehung sind Rollenverteilungen normal und auch überhaupt nicht zu verurteilen: Solange jeder den Job macht, den er mag und vielleicht sogar besser kann. Probleme entstehen dann, wenn einer über seine Rolle hinauswächst oder sie nicht (mehr) mit dem gebührenden Respekt wahrnimmt. Beziehungen wachsen – und idealerweise wachsen die Rollen mit.

Ob also Frau oder Mann in der Familie den „Finanzhut“ aufhat, ist erstmal egal – solange der andere trotzdem weiß, wie das innerfamiliäre System funktioniert und solange sie ihre gemeinsamen Ziele besprochen haben und an einem Strang ziehen. Wenn jeder dem anderen gut will, jeder dem anderen seinen (auch finanziellen) Freiraum lässt und keiner seine Macht über das Geld mit der Macht über den Partner verwechselt, ist alles gut.

Wenn in dieser Konstellation sich ein Partner alleine auf die Finanzbildungsreise zu beider Wohl begibt – so what, warum nicht?
Man kann abends nach einer Finanzbildungs-Session über die neuen Erkenntnisse sprechen, den anderen in die eigene Entwicklung einbinden und an ihr teilhaben lassen. Der sich nicht finanzbildende Partner muss also nicht zwingend abgehängt werden, nur weil seine Interessen und Ressourcen anderweitig gebunden sind (Kindererziehung, Karriere, o.ä.) – und er muss sich nicht unbedingt intensiv mit Geldanlagen usw. beschäftigen, wenn der andere es schon tut.

 „Never change a running system!“ kann nur einem Männerhirn entsprungen sein 😉

Kommen wir jetzt zu den Frauen in meiner Klientel, die mit ungnädiger Duldung oder sogar entgegen dem Widerstand ihrer Partner in die Finanzbildung kommen: Seltener sind es junge Frauen, meist sind es gereiftere Persönlichkeiten über 35, die mitten im Leben stehen. Die Kinder und Karrieren sind aus dem Gröbsten raus und jetzt ist wieder Zeit und Kopf dafür da, sich mit der eigenen Entwicklung zu beschäftigen. Es werden Fragen zur eigenen Zukunft und das gemeinsame Finanzleben auf den Prüfstand gestellt, eine erste Bilanz gezogen.
Und jetzt kommen all die kleinen Versäumnisse und Missstände an Licht, die sich im Laufe eines gemeinsamen Lebens ansammeln können: „Wie, er hat das gemeinsame Geld nur auf dem Tagesgeld rumgammeln lassen, statt es ordentlich anzulegen? Hmm, warum habe ich eigentlich keine Rentenversicherung für mich alleine und warum läuft unser Depot nur auf seinen Namen? Warum haben wir eigentlich nie über Ausgleichszahlungen für die Care-Arbeit für mich gesprochen? Ja, er hat gesagt, ich muss mir keine Sorgen machen – aber ich weiß ja über gar nichts so recht Bescheid!“

Und jetzt zieht sie los. Fängt an, Fragen zu stellen – und Dinge, die er geregelt hat, infrage zu stellen.

Spätestens jetzt fühlt sich der Mann bedroht:
„Was passiert hier? Jahrelang, gar Jahrzehnte hat sie sich nicht gekümmert. Es war ja auch nie notwendig, ich habe das ja gemacht. Und selbstverständlich habe ich das gut gemacht! (Persönliche Anmerkung: Hier möchte ich eigentlich ein Fragezeichen dransetzen. Denn oft ist es eben nur gut nach den damaligen Standards gemacht – heute ist man mit finanzieller Bildung eben sehr viel weiter!)
Und dann der Gipfel der Angst: „Bereitet sie etwa eine Scheidung vor, will sie mich verlassen?“

Männer – und es tut mir leid, jetzt etwas pauschal werden zu müssen, denn selbstverständlich bestätigen auch hier die Ausnahmen die Regel – neigen sehr dazu, Dinge so zu lassen, wie sie sind. Selbst dann, wenn sie nicht (mehr) gut sind. Das gilt für Beziehungen oder ihren Job genauso, wie es für Gelddinge gilt. Einmal eingerichtet, funktioniert für sie ein Geldverhalten oder eine Liebesbeziehung genau so lange, wie sie eben funktioniert.

Sie: „Liebst Du mich eigentlich noch?“
Er: „Ich habe Dich doch geheiratet!“
Sie: „Ja, aber das ist 17 Jahre her!“
Er: „Na und, ich bin doch noch da!“

(frei nach Vera Birkenbihl)

Bis ein Mann bewusst wahrnimmt, dass etwas im Argen liegt, dauert es. Lange. Denn sie funktionieren rein gehirntechnisch diesbezüglich anders (nicht schlechter, nur anders!) als Frauen: Ihre emotionale Leidensgrenze ist höher und ihr inneres Warnsystem springt später an – dann aber umso stärker.

Nachtigall, ick hör` Dir trapsen!

Für ihn kommt der Wunsch der Frau nach finanzieller Eigenständigkeit und Klärung der Finanzen aus dem Nichts. Selbst wenn sie schon monatelang vorher das Gespräch darüber angestoßen hat, er hat es nicht als Entwicklungsschritt und Veränderungswunsch wahrgenommen. Für ihn war ja alles gut. Und jetzt will sie sich (und sogar ihn) „finanziell weiterbilden“? Jemand Fremdem Einblick in ihre gemeinsame Geld- und Gefühlswelt (oh ja, Finanzen haben immer auch mit Gefühlen zu tun!) gewähren?

Das ist übel. Da kann etwas nicht stimmen!

Also macht er dicht. Auf die eine oder andere Weise. Entweder mit offenem Widerstand („Auf gar keinen Fall werde ich das mit Dir machen! Und ich will auch nicht, dass Du das alleine machst!“) oder mit Ablehnung und Verweigerung („Dann mach halt alleine, wenn Du es nicht lassen kannst! Aber mit mir musst Du da nicht rechnen!“).
Macht kann man auch ausüben, indem man sich verweigert – und damit eben nicht auf aggressive, sondern eben auf passive Weise das Wachstum und die Veränderung des anderen zu verhindern sucht. (Zur Klarstellung: Frauen können das übrigens auch, das ist keine spezifische Männereigenschaft.)

Entwicklung lässt sich nicht aufhalten, nur unterdrücken. Wer will das schon?

Ich verstehe das Verhalten. Es ist der Versuch, ein laufendes System am Laufen zu halten in Ausblendung der Tatsache, dass es eigentlich schon gar nicht mehr rund läuft: Das große andere Rädchen im Gefüge hat jetzt eine Unwucht, die sich mit wegschauen, abwarten und hoffen, dass es vorbeigeht, nicht auswuchten lässt. Und das alles nur, weil sie gerne finanzielle Gewissheit, fairen Ausgleich und ihre Altersversorgung geklärt haben will? Sehr schade!

Keine Lösung, nur ein anderer Ansatz

Ich habe tatsächlich keine Lösung für das Problem. Ich weiß aber, dass man jemand anderen – selbst wenn man ihn noch so sehr liebt – nicht ändern kann. Man kann nur sich selbst ändern und hoffen, dass der andere auf die Veränderung positiv reagiert. Von dahinein kann ich den Frauen, deren Männer in Sachen Finanzbildung und Veränderung nicht mitziehen wollen, den Rat geben: Geh` Deinen Weg und lass Dich nicht aufhalten!
Versuche dabei, nicht verletzt oder trotzig auf seine Ablehnung zu reagieren und halte ihm zugute, dass dieses Verhalten im Zweifel nichts mit Dir zu tun hat, sondern mit seiner eigenen Angst. Er macht das nicht, um Dir weh zu tun, sondern um sich selbst (und vor allem den Status Quo) zu schützen.
Wenn Du es schaffst, Deine innere Haltung gegenüber seiner Verweigerung zu ändern, schaffst Du es vielleicht auch, ihn auf Deiner Reise mitzunehmen und seine Ängste zu entkräften. Lass ihn an Deiner Entwicklung teilhaben, erzähle ihm, was Du gelernt und welche Erkenntnisse Du gewonnen hast. Mit der Zeit und der Gewissheit, dass ihm kein echtes Unheil droht, kommt er vielleicht auf die Idee, dass er Dir in Sachen Finanzbildung nachstehen will – und steigt doch noch mit ein.
Denn zusammen werdet Ihr Eure Finanzen noch viel, viel besser rocken (und Eurer Beziehung wird das ganz sicher neuen Schwung verleihen)!

 

Für diejenigen, die explizit miteinander über den Ausgleich der Care-Arbeit, Steuerklassen und gemeinsame Geldziele miteinander hakeln, haben der Beziehungsexperte Olaf Schwantes und ich einen speziellen Online-Kurs aufgesetzt, den auch jeder Partner gut alleine machen kann (besser ist natürlich zusammen. Aber: Wenn er nicht will…!).