Frage dieser Woche: Ich habe gelesen, dass ich für die betriebliche Altersvorsorge keine Rentenversicherung zahle und dementsprechend weniger Rente bekomme. Macht es dann überhaupt Sinn, so etwas abzuschließen?
Bei der betrieblichen Altersvorsorge – oft auch Entgeltumwandlung genannt – zahlt der Arbeitnehmer aus seinem Bruttogehalt heraus einen Beitrag in eine betriebliche Altersvorsorge. Damit verringert er sein zu versteuerndes Gehalt um diese Summe – und muss deshalb auch nur auf den Rest die anstehenden Sozialversicherungen zahlen. Da auch der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nur auf den Restbetrag erhoben wird, zahlt er natürlich auch da weniger ein.
Kein Produkt ohne Haken, keine Förderung ohne Preis
Die staatliche Förderung dieser Form der Altersvorsorge besteht also darin, dass keine Steuern und auch keine sonstigen Sozialabgaben auf den Bruttosparbeitrag gezahlt werden müssen. So können aus 100,- Euro Einzahlung in einen betrieblichen Altersvorsorgevertrag je nach Steuerklasse nur eine Nettobelastung von 40,- bis 60,- € werden.
Schließt Du also einen solche betrieblichen Altersvorsorge neu über 100 Euro ab, so merkst Du es mit nur 40 bis 60 ,- Euro weniger an Deiner Gehaltsüberweisung.
Was sich so toll anhört hat natürlich auch einen Haken: Schmälerst Du Dein anzurechnendes Gehalt in der Rentenversicherung, bekommst Du auch weniger Rentenpunkte gutgeschrieben – und erhältst damit am langen Ende natürlich auch weniger monatliche Rente.
Nach Meinung mancher Verbraucherschützer frisst hier also die eine Rente die andere Rente auf.
Da man Pauschalurteilen aber niemals unbesehen glauben schenken sollte, möchte ich Dich gerne anregen, Dir selbst eine Meinung zu bilden.
Arbeitnehmer zahlen für den Anteil des Lohnes, den sie für die Betriebsrente sparen, nicht in die gesetzliche Rente ein. Sie sammeln in der gesetzlichen Rente also weniger Polster fürs Alter an. Und später müssen sie auf die Betriebsrente dann noch volle Krankenkassenbeiträge zahlen. Da schmelzen die Ersparnisse dann massiv zusammen.
Zitat aus einem Facebook-Post von ZDF WISO am 13.11.2016 von Doris Kappes, Verbraucherzentrale Hamburg
auch per twitter -> https://twitter.com/ZDFwiso/status/797726951418925056
Ideal ist es, selbst nachzurechnen
Laß uns davon ausgehen, dass Du heute eine betriebliche Altersvorsorge über 100,- € Entgeltumwandlung abschließt, junge 32 Jahre alt bist, mit 67 ordnungsgemäß in Rente gehst und momentan rund 35.000,- brutto im Jahr verdienst.
Wenn Du finanzrechnen kannst, hast Du jetzt sicher schon selbst gerechnet – wenn nicht, so muss ich Dich jetzt bitten, mir einfach zu folgen**:
Du entziehst als Durchschnittsverdiener Deinem rentenversicherungspflichtigen Gehalt 1200 Euro und bekommst statt einem ganzen Rentenpunkt nur 0,966.
Diese Differenz von 0,034 Rentenpunkten vermindern Deine spätere zu erwartende Rente um 1,04,- Euro – denn Stand heute ist ein ganzer Rentenpunkt 30,45 € wert und der 0,034ige Anteil eben gut 1,- Euro.
Wir können guten Gewissens davon ausgehen, dass der Rentenwert jährlich um 1% angepasst wird: In 35 Jahren wird so aus diesen 1,04 Euro bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente 1,47 €.
Da die gesetzliche Rentenversicherung jedes Jahr das zugrundeliegende Durchschnittsgehalt der aktuellen Entwicklung anpasst, Du aber jedes Jahr nur 1.200,- Euro einzahlst, vermindert sich dieser Effekt in Zukunft tendenziell. Da wir aber nicht hellsehen können, wollen wir fairerweise annehmen, dass es bei den angenommen Relationen bleibt und Du mit jedem Jahr, in dem Du 1200,- Euro in Deine betriebliche Altersvorsorge einzahlst, Deine spätere Rente um 1,47 € verminderst.
Am Ende bekommst Du also 35 x 1,47 = 51,45 Euro weniger monatliche Rente.
Das ist eine Summe, die durchaus ausmachen kann, ob Du einmal die Woche Fleisch isst – und außerdem ist auch die gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsversicherung und die Arbeitslosenversicherung hiervon betroffen.
Die andere Seite der Medaille
Wir geben das Geld ja nicht zum Konsum aus, sondern wir legen es für die Rentenzeit zur Seite: Was ist also in 35 Jahren aus dem Geld geworden, welches wir nicht auf die gesetzliche Rente angerechnet bekommen haben haben?
Wir haben eine betriebliche Altersvorsorge dafür abgeschlossen.
Sagen wir mal, es war kein gutes Produkt. Es war ein Produkt, dass Dir unter Einbeziehung der Kosten und beeinträchtigt von der andauernden Niedrigzinsphase nur 0,5% Rendite erwirtschaftet.
Es hat also kaum viel mehr gemacht, als Dir das Geld mit 0,5% Zins anzusparen: In den 35 Jahren sind so rund 45.900,- zusammengekommen.
Jetzt müssen wir natürlich unseren Nettobeitrag davon abziehen – denn dieses Geld haben wir ja real angespart.
Mit Steuerklasse 1, unverheiratet und kinderlos, ist die Aufteilung ca. halbe/halbe, Du legst 620,- Euro tatsächlich zur Seite und musst dafür rd. 480,- Euro an Sozialabgaben nicht abgeben.
Aus diesen gesparten Sozialabgaben heraus kommen 18.350,- Euro zusammen, die Du ja nicht bekommen hättest, hättest Du besagten Vertrag nicht abgeschlossen.
Je nach der Form der betrieblichen Altersvorsorge kannst Du wählen, ob Du Dir diese Summe auf einmal auszahlen lässt oder ob Du analog der gesetzlichen Rente eine lebenslange monatliche Auszahlung erhältst:
In so ziemlich jedem denkbaren Fall erhältst Du deutlich mehr als 51,45 € monatlich aus dieser Versorgung (es sei denn, Du verjubelst das Geld oder stirbst recht früh).
Selbst wenn wir dabei bleiben, dass die Rente um 1% jährlich steigt, so bräuchtest Du fast 28 Jahre (also bis Lebensalter 95) um diese 18.350,- Euro analog der gesetzlichen Rente zu „verbrauchen“ – und da ist Dein Eigenanteil noch gar nicht dabei.
Beziehen wir den Eigenanteil mit ein, so erhältst Du in der gleichen Zeit eine Rente von monatlich knapp 130,- € (und ich habe wirklich ungünstig gerechnet!).
Und die Steuern?
Selbstverständlich zahlst Du auf diese Zusatzrente Steuern und Krankenkasse, auch Pflegeversicherung. Auf die gesetzliche Rente musst Du das aber ganz genauso zahlen. Der Abgabebetrag ist nur deshalb höher, da die Rente selbst ungleich höher ist – immerhin hast Du in der ganzen Ansparphase deshalb keine Steuern bezahlt.
Und die Inflation?
Auch die trifft beide „Anlageformen“ gleichermaßen. Verliert unsere entgangene gesetzliche Rente von 51,45 € um 2% an Kaufkraft, so entspricht das einem heutigen Wert von 25,73 €. Bei der Betriebsrente von 130,- € kommst Du auf einen Kaufwert von immerhin 65,- €.
[bctt tweet=“#GesetzlicheRente vs. #bAV – Was ist besser? Beides!“ username=“geldwert_anette“]
Mein Fazit zur betrieblichen Altervorsorge:
Die betriebliche Altersvorsorge ist prinzipiell selbst mit einem nicht so guten Vorsorgevertrag eine sinnvolle Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Selbstverständlich gibt es – je nach Gehalt, Steuerklasse und persönlicher Situation immer auch Fälle, in denen der Arbeitnehmer besser wegkommt, wenn er keine bAV abschließt. Grundsätzlich ist es also immer individuell auszurechnen – die bAV pauschal abzulehnen ist aber ganz sicher nicht richtig.
Außerdem haben wir einen weiteren entscheidenen Faktor noch gar nicht berücksichtigt: Wir sind bisher nur davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer seine betriebliche Altersvorsorge ohne Unterstützung des Chefs betreibt!
Denn: Auch der Arbeitgeber muss für besagte 100,- € keine Lohnnebenkosten für den Arbeitnehmer abführen. Es rechnet sich also auch für ihn gut, sogar so sehr, dass viele Chefs ihren Mitarbeitern einen Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge gewähren. Manchmal zahlen Arbeitgeber nochmal bis zu 50% on top in die betriebliche Altersversorgung mit ein!
So betrachtet kann und soll die betriebliche Altersversorgung die gesetzliche Rentenversicherung selbstverständlich nicht ersetzen – aber es ist als Angestellter wirklich fahrlässig, sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen und das Angebot des Arbeitgebers zu prüfen.
Falls dein Chef Dir noch kein Angebot diesbezüglich unterbreitet hat, so sprich ihn doch einfach mal darauf an – er kann sich zwar nicht wehren, wenn Du für Dich eine Entgeltumwandlung machen willst – aber vielleicht weiß er ja gar nicht, dass er selbst auch ganz gut damit fährt, wenn er dir etwas drauflegt?
**Zur Berechnung:
Bitte schreib mich gerne an info@geldwert-finanz.de an, wenn Du gerne die Zahlen der Berechnung haben möchtest.
Zum selbst-rechnen-lernen empfehle ich den schulischen Geldunterricht von www.geldlehrer.org oder natürlich meine eigenen Bildungsangebote in der finanzbildung online, im Workshop oder im Coaching.
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Liebe Annette,
einen wichtigen Punkt hast du unterschlagen: Die bAV-Rente ist grds. sozialversicherungspflichtiges Einkommen, wie die gesetzliche Rente. Bei der gesetzlichen Rente zahlt die Krankenversicherung der Rentner die Hälfte des Krankenkassenbeitrags. Bei der bAV trägt den vollen Beitrag (ohne Krankengeld natürlich) der Sparer, wenn die Rente 145€ übersteigt.
Wir haben das ebenfalls einmal nachgerechnet:
https://blog.progress-dresden.de/bav/
Aus unserer Sicht lohnt sich die reine Entgeltumwandlung für einen gesetzlich Krankenversicherten NICHT. Die Doppelverbeitragung soll jedoch abgeschafft werden. Dann sieht die Rechnung tatsächlich so aus, wie du sie oben beschrieben hast.
VG
Tom
Lieber Tom,
vielen dank für deinen Kommentar, ich freue mich.:-) Und Euer Artikel ist schön und klar geschrieben, auch ein echter Mehrwert.
Im Beispiel bin ich absichtlich nicht auf die Krankenkassenproblematik eingegangen (und unter 145,- € geblieben) weil ich ebenfalls davon ausgehe, dass hier zeitnah eine Verbesserung der Situation geschaffen wird.
Ich tue mich immer sehr schwer damit, gerade steuerrechtliche und abgaberelvante Sachverhalte unter den heutigen Annahmen einzuplanen und zu bewerten: Wer weiß, wo wir in 35 Jahren stehen? Am liebsten ist mir (gerade in der Finanzbildung), die Menschen rechnen für sich ihren Bedarf so großzügig aus, dass Abgaben von 20 -30% sie nicht ins Unglück stürzen, wenn es denn tatsächlich soweit kommt. Wenn es dann tatsächlich weniger ist: umso besser! 😀
Viele Grüße nach Dresden schickt
Anette
Die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wird trotz bisher massiver Forderungen an die Politik nicht gänzlich abgeschafft. Mit Einführung des Betriebsrenten-Stärkungsgesetzes in 2018 soll jedoch die Doppelverbeitragung für Riesterverträge innerhalb eines bAV-Vertrages abgeschafft werden, so steht es im bisher veröffentlichten Referentenentwurf vom 04.11.2016. Allerdings haben bisher Riesterverträge in Zusammenhang mit einer Direktversicherung zur Entgeltumwandlung bisher eher eine untergeordnete Rolle gespielt, denn auch der Arbeitgeber muss einer solchen Lösung zustimmen. Kann die Riesterlösung mit einbezogen werden, wird durch die staatliche Zulage, die ebenfalls für alle Riesterverträge ab 2018 auf 164 Euro steigen wird, eine noch bessere Ersparnis erzielt werden, als es Verträge mit Entgeltumwandlung heute schon tun.