Es war eine große Welle der Aufmerksamkeit, die @nainablabla mit Ihrem Tweet ausgelöst hatte: Fernseh- und Radiosender sind aufgesprungen und interviewten die junge Frau. Es hagelt seitdem immer wieder Kritik an unserem Bildungssytem, welches unsere Schüler nicht auf das echte Leben vorbereite. Neben der zu erwartenden Staats- und Finanzbranchenschelte wird auch immer wieder gefragt:

Wo bleibt denn die Verantwortung der Eltern?

Dumm und Dümmer. Was Naina da bemängelt gehört nicht in die algem. Schulbildung sondern sollte durch eine funktionierende Familie vermittelt werden.

 

Ernsthaft? Und was ist mit Eltern? Lehrer können Schülerinnen und Schüler nicht rundum auf das Leben vorbereiten, schließlich tragen Eltern ebenfalls eine große Verantwortung! Nur weil diese kein Bock oder Zeit haben, können wir Lehrer nicht als Elternersatz herhalten!!

… u.v.m. (gefunden in Facebook-Kommentaren)

Natürlich liegt die Verantwortung nicht allein bei den Schulen. Aber:

Wie sollen die Eltern diese Verantwortung denn substantiell wahrnehmen?

Wie sollen Eltern vorleben und lehren, was sie selbst nicht wissen? Ich behaupte: Der allergrößte Teil der Eltern sind nicht finanzgebildet. Das ist kein Vorwurf, den ich Eltern mache, sondern meine tägliche erlebte Erfahrung. Woher sollen sie diese Bildung denn auch haben?
Sie kommen aus dem gleichen Bildungssystem wie ihre Kinder und sie hatten in Ausbildung und Beruf ebensowenig Möglichkeiten, sich fundiertes Wissen anzueignen. Entweder haben sie es später im Leben aus eigenem Antrieb oder aus schlechten Erfahrungen gelernt oder sie wissen es bis heute nicht.

Momentan ist es in Deutschland noch egal, welcher Generation wir angehören:
Was nutzte uns das Pauken einer Zinseszinsformel in der 7 Klasse, wenn wir sie weder im Alter von 20, noch im Alter von 40 in das Gespräch mit einem Banker herüberretten können?
Was nutzte uns Sozialkunde, wenn wir nicht transferieren können, was sie mit uns persönlich zu tun hat?
Und was nutzen uns die Wirtschaftsfächer, wenn wir uns keinen Kontext damit schaffen können, der uns erklärt, warum uns die Inflation weit stärker berührt als der Preisanstieg von Milch vom einen aufs andere Jahr?
Es fehlt die Vernetzung der Lehrinhalte und eine echte Praxisorientierung.

Eltern können ihre Kinder nicht ausbilden.

Sie können nur ihre Erfahrungen teilen. Sie können mit ihrem Bauchgefühl unterstützen. Sie können sagen, wie sie selbst es gemacht haben.
Sie können nur das, was sie für sich – aus ihrem eigenen Blick auf die Finanzwelt heraus – als Wahrheit erkannt haben, ihren Kindern mitgeben.

Für meine Generation waren das solche Wahrheiten, wie:
„Kind, du brauchst eine Lebensversicherung!“ oder: „Ein eigenes Haus, Kind! Eine eigenes Haus ist die beste aller Altersvorsorgen!“

Die heutige Generation lernt Wahrheiten, wie:
„Mach doch alles selbst im Internet, gibt doch unzählige Vergleichsportale!“ oder
„Riester? Neee, Riester kannst Du nicht machen! Die ziehen Dir das am Ende doch alles wieder von der Rente ab!“

Die Wahrheiten unserer Eltern waren für uns falsch. Und unsere Wahrheiten sind es für unsere Kinder ebenso. Ein solches Anbieten von Erfahrungen ist wichtig – aber es hat nichts mit Bildung zu tun: Es sind nur Fußstapfen, in die unsere Kinder treten können, wenn sie sich keinen eigenen Weg suchen wollen oder können.

[bctt tweet="Unsere Wahrheiten sind für die zukünftige Generation falsch. Sie haben nichts mit Bildung zu tun"]

Wirkliche Bildung gibt keine Meinung vor. Sie urteilt nicht. Sie manipuliert nicht. Sie bietet keine vorgfertigten Lösungen.

Praktische Finanzbildung vernetzt Inhalte der VWL, Sozialwissenschaften, BWL, Produktkunde, Finanzsprache und -mathematik, Politik und Persönlichkeitsarbeit miteinander. Sie transformiert sie in die Praxis und schafft einen wirtschaftlichen Gesamtkontext, den jeder auf sich selbst anwenden und im wahren Leben nutzen kann.
Nur so ist sie – wie jede richtig genutzte Form des Wissens – das Fundament, dass hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden und eigene Wahrheiten zu entwickeln.

Heute wichtiger denn je.

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