Meine Freundin Sara Menzel-Berger, aka Die Technikelfe, regt sich in ihrem Blogparadenaufruf darüber auf, dass viele Frauen behaupten, sie seien „zu blond für Technik“. Dass Sara – kraft ihrer Affinität und Begeisterung für die Technik – damit natürlich nicht viel anzufangen weiß und sie sich durch solche Sprüche heftig angetriggert fühlt, kann ich extrem gut nachvollziehen. Aber…
Entgegen Saras liebevoll gemeinten Aufruf, doch bitte zur Artikel zur Blogparade beizusteuern, die Erfolgserlebnisse beschreiben oder zumindest motivieren – möchte ich genau das Gegenteil tun. Ich möchte um Verständnis und Mitgefühl bitten – für uns, die Technik-Dummies.
Blond ist doof
Den Spruch „Ich bin zu blond für Technik!“ finde ich auch bräsig, das ist keine Frage. Was hast denn eine Haarfarbe bitte mit Talent oder Affinität zu tun? Nichts natürlich.
Genauso, wie die ganzen Blondinenwitze eigentlich nichts mit Frauen zu tun haben.
Irgendwann in den letzten 30 Jahren (ja, doch. Ich denke, 30 Jahre gibt es Blondinenwitze bestimmt schon) ist aus der heißbegehrten Haarfarbe „blond“ ein Synonym für „doof / blöd / dumm“ geworden – es gibt bestimmt einige Sprachwissenschaftler und Psychologen, die sich mit diesem Phänomen schon eingängig beschäftigt haben.
Ich jedenfalls bin eine Blondine. Seit ich aus Zeit- und Altersgründen auf Strähnchen verzichte, zwar eher so eine dunkelschmutzig-aschblonde Blondine, aber doch: Eine Blondine.
Und ich käme niemals auf die Idee, mich selbst mittels meiner Haarfarbe zu diskreditieren.
Ich vermute übrigens, die wenigsten echten Blondinen benutzen ihr Blondsein als Begründung oder Ausrede dafür, sich mit „der Technik“ nicht auszukennen – ich denke, wir sind uns durchaus bewusst und stolz darauf, die letzten Fackelträger eines rezessiven Gens zu sein.
Wenn ich also auch nicht verstehen kann, wie man das Wort „blond“ als Zusammenfassung für „ich traue mir das nicht zu, erkenne keine Zusammenhänge und empfinde das alles als viel zu kompliziert“ benutzen kann, so verstehe ich doch sehr gut, dass sich viele so fühlen.
Mir geht es nämlich genauso.
Ich bin nicht zu blond, ich hab´ da nur einfach keine Lust zu
Seit ich mich vor fast 10 Jahren selbständig gemacht habe, schlage ich mich nun mit „der Technik“ rum.
Vom reinen Internet-User, der gerade mal eine Suchmaschine bedienen und einen Beitrag in einem Forum kommentieren konnte, habe ich mich zu einem „Anbieter“ entwickelt.
Ich war superstolz, meine Webseite selbst gebaut zu haben, meine Texte und Bilder in meinen Blog einbauen zu können und zu wissen wo ich draufklicken muss, damit alles zusammen nicht allzu poplig aussieht. Ich würde sagen, dass entspricht ungefähr dem Wissen, welches man haben muss, um Auto zu fahren.
Wie man allerdings ein Auto baut und repariert, wusste ich auch damals nicht (zum Glück habe ich da so einen Göttergatten, der sich damit auskennt) – und heute kann ich auch zugeben, dass es mich nicht interessiert. Es interessiert mich nicht nur nicht, es interessiert mich sogar nicht die Bohne.
Immer wenn mein Mann mir erklärte, wie irgendwas hintendran funktioniert, habe ich ihn freundlich interessiert angeschaut und zugehört.
Ich habe vielleicht sogar für 3 Minuten verstanden, was er sagte – bis zum nächsten Satz, indem irgendein Sachverhalt mir nicht gleich klar war und der mir das vorher Gehörte dann wieder in Kauderwelsch zersetzt hat.
Für mich hat die Technik des Internets nach wie vor babylonische Ausmaße, und die meisten Wissens-Bausteine schlackern irgendwie unsortiert in meinem Kopf herum – mir fehlt einfach ein Fundament, auf dem ich hätte aufbauen können. Kann ich zwar alles im Internet nachlesen, verstehen tue ich es aber noch lange nicht.
Mit der Zeit entwickelte ich also eine Verweigerungshaltung den tiefsten Tiefen des Internets gegenüber – und die pflege ich auch heute noch.
Ich muss nicht wissen, wie ein FTP-Server funktioniert. Ich will auch nicht wissen, wie ich eine Webseite mit all ihren Einzelheiten SSL-verschlüssele. Ich empfinde es als Zumutung, irgendwelche DSGVO-konforme Plugins einrichten zu müssen und es hat wirklich lange gedauert, bis ich meine Abneigung überwinden konnte, meinen ersten Email-Funnel einzurichten.
Es gibt eine Grenze des Nicht-Profitums
Ich denke, es hat sich im „Neuland Internet“ noch keine richtige Kultur dessen ausgebildet, wo die Grenzen zwischen User (also reiner Verbraucher), Anbieter (also Webseitenbetreiber, sowas wie mich halt) und Produktgebern (also Entwickler und Systemgeber) verlaufen.
Ich empfinde es als problematisch, dass wir als Anbieter, die wir ja eigentlich bereits eine Spezifikation haben, momentan noch zusätzlich gleichzeitig Internet-Technik-Junkies sein sollen. Deshalb gibt es ja zum Glück solche Geeks wie Sara, die als Vermittler zwischen Produktgebern und Anbietern fungieren.
Deshalb ist mir ist die Woche auch fast die Kinnlade heruntergefallen, als in einer meiner Gruppen die Frage nach interessanten Weiterbildungsmöglichkeiten mit einem Lehrgang zum „Coden“ beantwortet wurde. Auf meine Frage nach dem warum bekam ich zur Antwort:
„Als unter-30-Jährige führt für mich da kein Weg dran vorbei. Wer in zwanzig Jahren noch einen Job haben will, muss zumindest ein erweitertes Grundverständnis von Programmieren haben.“
Ich hoffe nicht, dass das so sein wird. Und wenn doch – so bin ich dankbar für die Gnade der frühen Geburt.
Natürlich wird es immer einige geben, die beides miteinander verbinden können. Ich muss da aber nicht dazugehören.
Nicht, weil ich blond bin. Schon gar nicht, weil ich zu dumm wäre, es zu lernen.
Sondern schlicht, weil ich mit dem Auto nur fahren will.
Außerdem bin ich mir sicher, dass das Internet mit all seiner Technik sich bald soweit weiterentwickelt haben wird, dass wir Anbieter irgendwann kaum noch selbst an der Technik arbeiten müssen. Genau so, wie wir heute schon beim Blogartikelschreiben oben im Fenster umstellen können, ob wir visuell oder mit Text (gemeint ist HTML-Text) schreiben wollen, wird es irgendwann mit allen anbieterwichtigen Anwendungen einfacher werden.
Bis dahin: Müssen wir uns eben durchbeißen oder jemanden beauftragen, der es kann.
Weder zu dumm, noch zu alt – auf die Motivation kommt es an
Darum bitte ich Sara und all die anderen Technikfreaks, die sich vom Unverständnis der unwilligen Anbieter angetriggert fühlen, um Gnade. Nicht für die Blond-Formulierung – nee, darüber kann man sich durchaus mal auslassen.
Aber ich bitte um Verständnis für unseren Unwillen, sich mehr als unbedingt notwendig auf diesen Technik-Internet-Dschungel einzulassen.
Denn hier tut sich die Analogie zu meinem eigenen Job auf:
Früher triggerte es mich nämlich auch, wenn eine Frau (oder ein Mann, mir ist das ja immer egal) sagt, sie oder er sei zu blöde, die Finanzen und die Altersvorsorge in die eigene Hand zu nehmen. Dazu ist niemand zu dumm, vollkommen unabhängig von der Haarfarbe.
Was ich erst mit der Zeit (hihi, die Weisheit des Alters! 😉 ) verstanden habe:
Wir als Anbieter – also Tekkies für ihr Publikum und ich für meines – haben zu akzeptieren, dass Menschen sich für unser Thema nicht begeistern. Egal wie sinnvoll es ist, sich selbst in den eigenen Finanzen auszukennen oder die DSGVO-Konformität auf der eigenen Webseite selbst einpflegen zu können, wir können niemanden dazu hin überreden.
Wir können vorleben, Mut machen, Beispiele aufzeigen, erklären und anbieten – und wir können überhören, dass jemand eine superblöde Formulierung verwendet, um seine Hilflosigkeit, seine Überforderung und seinen Unwillen auszudrücken.
Wir brechen schließlich auf in Welten, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat…
Ich für meinen Teil stehe dabei aber bitte auf der Brücke, nicht im Maschinenraum.
Sehr cool zusammengefasst, DANKE Anette. Wie (fast) immer ist es keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Oder eben des. Nicht-wollens 😉
Genau so ist es. 🙂
„Nicht-Wollen“ finde ich oft total ok – geht mir ja mit gaaaaanz vielen Dingen ähnlich. Brummelig werde ich immer dann, wenn es a) ins Kokette rübergeht und / oder b) dann nicht schlicht dieser Bereich abgegeben wird. Denn dann wird aus dem „Nicht-Wollen“ eine wunderbare Ausrede fürs Prokastinieren. Was mich eher ungeduldig reagieren läßt 😉
Toller Artikel, liebe Anette ! Danke dafür.
Liebe Grüße, Frauke
Liebe Anette, es beruhigt mich sehr, dass es (sogar) dir so geht 😉 Dein Bild: „Ich stehe dabei auf der Brücke, nicht im Maschinenraum“ spricht mir aus dem Herzen. Herzlichst, Vera