Die FED erhöht langsam aber sicher die Zinsen. Da dies für unsere europäische Wirtschaft wirkt, als habe Trump eine rote Flagge geschwenkt, überschlagen sich auch bei uns die Spekulationen, dass das Ende der Niedrigzinsphase nun eingeleitet sein könnte. Auch bei uns haben die Bauzinsen im November leicht angezogen – ein weiteres Signal für die medialen Effektheischer, die ja schließlich etwas Interessantes schreiben müssen.

Lasst uns doch mal gemeinsam auf diese ganze Zinsgeschichte draufschauen

Unser Zinsniveau orientiert sich grundsätzlich am Zinssatz der EZB, die den Leitzins für uns 28 Länder der Eurozone festlegt.
Momentan liegt dieser Zinssatz bei 0,00% – und das bedeutet, dass Banken sich bei der EZB für Umme Geld leihen können, um es wiederrum an Unternehmen und Privatleute weiterzuverleihen und damit ein Geschäft machen.
Da natürlich jeder weiß, dass die Bank selbst für dieses Geld nichts bezahlt, kann sie nicht hingehen, und Phantasiezinsen für die Geschäfte ausrufen, die sie damit macht: Die Konkurrenz schläft ja nicht und die Informationen sind öffentlich. Also bleiben auch die Zinsen, die sie von ihren Kunden verlangt, im Rahmen und orientieren sich an dem niedrigen Zinsniveau, welches die EZB ausgerufen hat.

Warum tut die EZB das?

Durch den niedrigen Zinssatz soll es den Banken in Griechenland, Italien und den anderen Wackelkandidaten erleichtert werden, zinsgünstige Darlehen an die einheimische Wirtschaft zu vergeben – damit diese wieder investieren und mehr produzieren können.
Am Ende soll dieses billige Geld also Arbeitsplätze erhalten und schaffen, die wiederum durch das Gehalt den Konsum ankurbeln und damit ingesamt die Wirtschaft wiederbeleben.

Für uns in Deutschland bedeutet das, „Mitgefangen, mitgehangen!“ – unsere Wirtschaft ist nämlich soweit stabil und könnte sich durchaus höhere Zinsen leisten. Da wir aber nunmal eng verflochten sind, können wir uns aus diesem System (an dem wir im übrigen unglaublich gut verdienen) nicht lösen.

In den anderen Ländern sind aber die Zinsen höher, warum denn das?

Weil nicht alleine der Leitzins dafür verantwortlich ist, welcher Zins beim Endkunden ankommt. Ebenso wichtig ist die Bonität und die Kapitaldienstfähigkeit (= Zahlungsfähigkeit) der Firmen, die einen Kredit bei der Bank aufnehmen möchte. Gerade um diese beiden Kriterien ist es aber in den Institutionen der Wackelkandidaten durch lange Misswirtschaft und Wirtschaftskrise nicht sonderlich gut bestellt:
Den Banken geht es nicht gut, sie dürfen kein Risiko ohne dementsprechende Gewinnaussicht (also Zinsertrag) eingehen.
Den Unternehmen geht es nicht gut, sie können sich nicht aussuchen, zu welchem Zinssatz sie einen Kredit aufnehmen (wenn sie ihn überhaupt bekommen).
Nicht einmal dem Staatshaushalt geht es so gut, als dass er Investitionen zinsbillig fördern könnte – denn auch er muss für Geld, daß er außerhalb der EU-Stützungsprogramme aufnimmt, ebenfalls höhere Zinsen zahlen.
Insgesamt ist also das Kreditzinsnievau trotz des Nullzinses z.Bsp. in Griechenland deutlich höher als bei uns – und dass diese Unterschiede nicht ausufern, ist alleine den besagten Stützungsprogrammen der EU zu verdanken.

Bei uns dagegen schlägt die Nullzinspolitik voll durch – denn unsere Wirtschaft kann es sich schlichtweg leisten, Kredite auch am Markt (also als Anleihe) aufzunehmen, falls die Bank nicht wie gewünscht agiert.

Confused emoticonUnd warum gibt es dann keine Anlagezinsen?

Am Ende hängen auch die Anlagezinsen am Leitzinssatz:
Wenn die Banken das Geld zum Verleihen für 0% von der EZB bekommen – warum sollten sie es dann teuer von uns, den Sparern und Anlegern, einkaufen? Es ist so viel Geld in den Märkten, es ist so billig zu bekommen – sie brauchen unser Geld nicht.
Und weil sie es nicht brauchen, können sie es sich gut leisten, uns nichts für unsere Einlagen zu bezahlen: Wir können ja (theoretisch) nirgendwo anders hin.
Praktisch können wir durchaus irgendwohin: Wir können unser Geld den Firmen leihen, die sich ihr Geld lieber bei uns als bei den Banken aufnehmen (Unternehmensanleihen). Wir können auch in Aktien investieren.
Aber wir Deutschen tun das nicht so gerne.

Und was ist jetzt, steigen die Zinsen oder steigen sie nicht?

Natürlich steigen die Zinsen. Irgendwann.

Momentan besteht aber einfach keine Veranlassung, den Leitzins zu heben:
Anstatt, dass das Euroland sich umfassend erholt, löst Italien gerade Griechenland als größtes Sorgenkind ab.
Eine Anhebung des Zinssatzes hätte den Effekt, dass Kredite teurer – und damit unattraktiver für den Kreditnehmer sind.
Gleichzeitig würden wir unser Geld dann wohl doch eher mal wieder zur Bank tragen und anlegen (jetzt gibt es ja wieder Zinsen!), anstatt es auszugeben und damit Produkte zu kaufen, die die Wirtschaft produziert hat. In der Denkart der EZB ist das absolut unerwünscht.

Das Ende der Niedrigzinsphase ist noch weit entfernt.


Dieser Artikel ist meine Antwort auf die Frage „Was ist Deine Einschätzung. Wie entwickeln sich die Zinsen?“ im Schlaglicht am Mittwoch.

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Niedrige Zinsen begleiten uns ja schon eine zeitlang…. ich habe da schon mehr darüber geschrieben:

-> Aus dem Archiv: Niedrige Zinsen – so what?

-> Was Staatsanleihen mit Faultieren zu tun haben