Das Finanzamt liebt Kleinunternehmer. Eine gewisse Sorte Ehemann liebt Kleinunternehmerinnen. Nebenher-Gewerbetreibende lieben es, Kleinunternehmer zu sein. Hauptberufliche Mütter lieben es, mit ihrem Kleinunternehmen die Familienkasse aufzubessern. Und Unternehmer, die ihr Gewerbe in Richtung Rente führen, lieben es, das in aller Ruhe als Kleinunternehmer zu tun.

Wenn Du nichts von alledem bist oder werden willst, so hast du keinen Grund, das Kleinunternehmertum zu lieben.

Als meine Freundin Barbara Budrich mich für Ihr geplantes e-Book innerhalb ihres inspirited-Verlages (-> hier gehts zur Artikelserie) gebeten hatte, einen Gastartikel zum Thema Kleinunternehmerregelung zu schreiben, habe ich spontan erstmal abgelehnt. Ich mag die Kleinunternehmerregelung nicht sonderlich und außerdem: Hey, das ist ein Steuerthema, dafür bin ich die falsche Person! Schon in der Geldanlage und im Vermögensaufbau kommen mir die Steuern immer wieder unter und ich werde wahrscheinlich bis an mein Lebensende nicht verstehen, wie man das Prinzip „Ich gebe nichts an den Staat ab!“ vor das Prinzip „Ich verdiene Geld / mache Rendite.“ stellen kann. Denn davon abgesehen, dass so eine Einstellung zu massiven finanziellen Fehlentscheidungen führen kann (was nutzen mir die tollsten Steuersparmodelle, wenn mein Kapital weg ist?) halte ich es hier sehr mit der Bibel: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!“ (Matthäus 22:21).

Aber dann habe ich vor kurzem in einer meiner geliebten Unternehmerwachstums-facebookgruppen gelesen:

„Huch, was mache ich denn jetzt? Ich könnte einen tollen Auftrag bekommen – aber dann verdiene ich dieses Jahr soviel, dass ich aus der Kleinunternehmerregelung herausfalle!“

Während ich am liebsten geantwortet hätte „Schätzchen, dass ist doch super, dann weißt Du doch, dass Deine Geschäftsidee funktioniert. Mach hin, gib Gas!“ drehten sich die Überlegungen um die Frage, wie man die Rechnungslegung über den Jahreswechsel ziehen könne bis zu dem Ratschlag, den Auftrag vielleicht mit jemand anderem zu teilen oder sogar besser abzulehnen.
Ehrlich – gehts noch? Die falsche Zielgruppe kann ein Grund sein, einen Auftrag abzulehnen. Zu wenig Ressourcen können ein Grund sein, einen Auftrag abzulehnen. Selbst die krumme Nase des Auftraggebers könnte ein Grund sein, einen Auftrag abzulehnen. Die Angst vor einem monatlich auszufüllenden Formular aber ist ganz bestimmt ein sehr jämmerlicher Grund, einen guten Auftrag abzulehnen.

[bctt tweet=“Klein zu denken ist die beste Voraussetzung, auch klein zu bleiben.“ username=“geldwert_anette“]

Sicher, in jedem Gründungsseminar der IHK wird Dir erzählt: „Starten Sie doch erst mal langsam als Kleinunternehmer/in und sehen Sie, wie Ihnen das mit dem Unternehmertum so liegt!“. Immerhin hast Du (vermeintlich) weniger Bürokratiepflicht und musst Dich nicht mit Vor- und Umsatzsteuern mühen. Weniger Buchhaltung, weniger Aufwand und Du kannst sozusagen unter dem Radar des Finanzamtes fliegen. Der softe Start ins Unternehmerleben…
Sorry, das ist Bullshit.

Für wen ist diese Kleinunternehmerregelung, warum wurde sie überhaupt geschaffen?

Nein, diese Regelung ist nicht dafür gedacht, dass alle Freiberufler und Gewerbe, die noch am Anfang stehen, nicht sofort so viel Steuer-Kram bewältigen müssen.
Sie ist für diejenigen gedacht, die von vorneherein nur eine kleine Unternehmung führen wollen. Sie macht Sinn für die Mütter, die das Familieneinkommen mit einem kleinen Gewerbe nebenher aufbessern wollen. Oder für den selbständigen Heizungsableser, der abends nach der regulären Schicht in seinem Vollzeitjob loszieht, um sich etwas dazu zu verdienen. Auch für Studenten, die sich mit gewerbsmäßigem Wohnungsentrümpelung und Flohmarktverkauf das Studium erleichtern. Und natürlich für Rentner, die – aus Lust oder Notwendigkeit – nicht vom Geldverdienen lassen wollen. Wenn Du also zusätzlich etwas Geld verdienen willst, kaum Wareneinsatz und Fixkosten hast und keine Ambitionen, mehr als 17.500,- € Umsatz im Jahr zu machen, dann kannst Du Dir und dem Finanzamt diesen kleinen Teil der Bürokratie ersparen. Aber nur dann. Wenn nicht, solltest Du gleich zur Umsatzsteuer optieren, denn:

Wenn Du wirklich etwas reißen willst, bist Du Unternehmer/in. Nicht klein.

Eben.
Egal, ob Du noch am Anfang deines Geschäfts stehst und noch weit von einem monatlichen Umsatz von knapp 1.460,- € entfernt oder ob Du schon seit Jahren an dieser Grenze entlangwirtschaftest – wenn Du Ambitionen hast, irgendwann ausschließlich von deiner Selbständigkeit zu leben, dann bist Du Unternehmer/in.
Erlaube Dir gar nicht erst, klein zu denken, denn das ist die beste Voraussetzung, auch klein zu bleiben. Erlaube Dir, in das Hineinzuwachsen, dem Du in ein paar Jahren sowieso nicht mehr entgehen kannst. Denn mal im Ernst: Eine ordnungsgemäße Buchhaltung musst Du Dir sowieso aneignen, wenn du Deine Kosten und Einnahmen sinnhaft überblicken willst. Dann fang es doch lieber gleich richtig an und lass Deine Buchhaltung mit Dir zusammen wachsen. Außerdem kannst Du Dir gleich angewöhnen, unternehmerisch zu denken und die Vorsteuer zu ziehen. Selbst wenn es zu anfangs nur nur 3,80 € im Monat sind – wer wachsen will, wird auch investieren müssen.

Kalkuliere in Deine Preisgestaltung die 19% MwSt. gleich mit ein, auch wenn Du im ersten Augenblick das Gefühl hast, dass Du ja dann schließlich so viel teurer bist, als es theoretisch notwendig wäre: Die Umsatzsteuer ist kein Thema, über das Du Dir als hauptberuflicher Unternehmer einen Kopf machen solltest. Genauso wie die Sonne im Osten aufgeht und Du das nur nicht mitbekommst, weil Du vielleicht gewohnt bist, länger zu schlafen – genauso unumstösslich ist die Umsatzsteuer und nur Kleinunternehmer dürfen länger schlafen. Kunden von Unternehmern aber sind es gewohnt, Umsatzsteuer zu bezahlen. Wenn Deine Leistung / Dein Produkt so gut ist, dass Du davon Leben willst und ein ernstes, hauptberufliches Unternehmen damit gründen kannst, dann entscheidet also nicht der um 19% verminderte Preis darüber, ob Du erfolgreich bist.

Allein der Nutzen, den Du Deinen Kunden stiftest, entscheidet das.