Heute habe ich in der Wirtschaftswoche einen unglaublich schlechten Artikel gelesen – es sollte eine pro/contra Abwägung von angeblichen Vorurteilen der Kunden bezüglich Lebensversicherungen sein.
Das kann ich unmöglich unkommentiert lassen, darum gehe ich sie der Reihe nach durch:

Lebensversicherung ist überflüssig, gesetzliche Versicherungen reichen aus?!?

Ja so ein Unsinn!
Wer noch nicht verstanden hat, dass die gesetzliche Rente auf keinen Fall den heutigen Lebensstandard (egal wie niedrig er im Moment ist) sichern wird, dem ist fast nicht mehr zu helfen.
Ob man eine Rentenlücke über eine Lebensversicherung abdecken kann, muss oder sollte ist ein ganz anderes Thema! Ich bin der Meinung, dass es nur in sehr raren Ausnahmefällen Sinn macht, eine LV abzuschließen – dieses Produkt ist nämlich nicht mehr zeitgemäß.

Das eingezahlte Geld sehe ich unter Umständen nie wieder.

Das kann sein.
Wir reden doch hier von einer Lebensversicherung, oder?
Das ist es doch Sinn der Sache: sterben Sie früher als gedacht, wird Ihr Geld wohl nicht an Sie ausgezahlt.
Lassen sie die Auszahlung nach Ablauf verrenten, sterben dann ziemlich bald, so wird der Rest normalerweise (es gibt Ausnahmeprodukte) vererbt.
Oder die Versicherung geht zwischendurch Pleite, dann kommt es auf die Sicherungseinrichtungen an.
Oder sie haben eine LV ohne jede Garantie und diese hat ausschließlich den schlechtesten Fonds der Welt gekauft – dann würden Sie beim Ablauf ihr Geld natürlich auch nicht wieder sehen.

Die Rendite ist zu niedrig

Auch das kann sein.
LVs sind mit Sicherheit nicht mehr der Renditebringer wie noch vor 20 Jahren. Aber das ist ja keine Neuigkeit mehr.

Man sollte sich genau überlegen, was man eigentlich will:
Das Risiko eines verfrühten Todes absichern oder die Rente aufbessern? Vermengt man bei den heutigen Sicherheitsbestimmungen, steuerlichen Vorgaben und Kostenstrukturen die Ziele miteinander, so darf man sich nicht wundern, dass am Ende nicht viel bei rumkommt…

Lebensversicherungsverträge sind zu unflexibel

Naja, was erwartet man denn?

Man kann die Beiträge erniedrigen, monatsweise aussetzen, komplett stilllegen und wieder aufleben lassen, Laufzeiten verringern, zwischen Komplettauszahlung und Verrentung wählen.
In manchen Versicherungen kann man sogar die Summen ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen – all diese Änderungen kosten im Regelfall etwas, aber Unflexibilität kann man denn LVs nun wirklich nicht unterstellen.

Lebensversicherung ist unverständlich und intransparent

Aha.
Prinzipiell ist die LV ein unglaublich einfaches Produkt:
Man sichert die Angehörigen für den Fall eines verfühten Todes ab und spart gleichzeitig dafür, dass man nicht frühzeitig stirbt. Das ist beileibe nicht unverständlich.
Allerdings sind diese Produkte tatsächlich intransparent – und zwar hinsichtlich ihrer Kostenstrukturen und ihrer Abrechnungen.
Wenn nämlich die jährlichen Abrechnungen transparenter wären, würde der Kunde ja feststellen können, wieviel die Versicherung tatsächlich in den eigenen (oder den verwandten) Sack gesteckt hat, wie sich die angelegten Gelder tatsächlich entwickelt haben (oder wo Fehlentscheidungen getroffen wurden) und dass es bei LVs sehr lange dauert, bis sich der Zinseszinseffekt endlich ordentlich bemerkbar macht, da der Sparanteil so viel geringer als die Beitragssumme ist.
Und was dieses Produktinformationsblatt angeht:
Hat der Kunde seine ausgewählte LV im vorhinein ordentlich erklärt bekommen und wurden alle anstehenden Fragen ausführlich besprochen so dient diese Information durchaus als Gedankenstütze und sinnvolle Zusammenfassung.
Der Kunde sollte die beiden Blätter halt auch mit Bewusstsein lesen und sich evtl. auch Anmerkungen dazu schreiben.

Die Kosten sind zu hoch

Ja.

Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen im Schadenfall eh nicht

BU? Ich denke, wir reden hier über Lebensversicherungen?
Es sei denn, wir kombinieren ganz schlau die LV mit einer eingeschlossenen BU. Das geht natürlich auch.
Es ist eine extrem erfreuliche Sache, wenn wegen Liquiditätsschwierigkeiten die LV stillgelegt oder gekündigt werden muß und man die BU gleich mit los ist.
Selbstverständlich bekommt man nun keine Neue mehr, denn mittlerweile ist man zu alt oder zu krank…
Die BU ist ein ganz eigenes Thema und gehört garnicht hier hin.

Wenn ich eine Lebensversicherung abschließe, habe ich auch automatisch einen Todesfallschutz

Ääh, ja… gehts noch?
Die Produkte, die keinen Todesfallschutz beinhalten, sind keine Lebensversicherungen sondern Rentenversicherungen.
Diese Unterscheidung sollte ja wohl klar sein.
Natürlich vermänteln die Versicherer ihre Produktnamen gerne mit verwirrenden Bezeichnungen – aber jetzt mal im Ernst: wer unterschreibt denn einen LV-Vertrag und hat nicht vorher nachgelesen bzw. wurde beraten, in wie weit er beim Tod versichert ist?

Mein Arbeitgeber unterstützt mich nicht bei der betrieblichen Altersversorgung, damit kann ich auch keine abschließen.

Ich bin irritiert.
Das ist keine Frage und auch kein Vorurteil – das ist einfach geschriebener Brechdurchfall.

Bei der Riester-Rente fressen die Vertragskosten die staatlichen Zulagen auf

*Seufz*
Nur eine Anmerkung:
Selbst wenn es so wäre, dass die Kosten die kompletten Zulagen auffressen (was allerdings bedeutet, dass man sich ein miserabeles Produkt ausgesucht hat), dann hätte man doch trotzdem immer noch diese Kosten nicht selbst bezahlt. Schließt man diese (miserable) Versicherung komplett privat ab, so muss man die Kosten auch aus den eigenen Beiträgen berappen und bekommt eben noch weniger ausbezahlt.

Im übrigen:

Riester mittels einer LV oder einer Rentenversicherung anzusparen halte ich sowieso für sehr fragwürdig. So etwas ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll.

Alles in allem kann ich mich über diesen Artikel nur wundern.
Derjenige, der gesagt hat: „Es gibt keine blöden Fragen!“ hat definitiv gelogen 🙂