Vor kurzem hatte ich ein Feedbackgespräch zu einem Vortrag, den ich in Sachen Geldanlage vor v.a. jüngerem Publikum – so Anfang 30 – gehalten hatte. Es ging darum, mir zu spiegeln, zu welchen Zeitpunkten innerhalb dieses Vortrags die Teilnehmenden den Impuls verspürt hätten „Ja, mit dieser Frau will ich arbeiten, von ihr will ich lernen!“
Es handelte sich dabei also um ein geplantes und von mir angefragtes Feedback. Du kannst Dir also vorstellen, dass in einem solchen Gespräch nicht nur nette Aussagen kommen. Das ist ja auch so gewollt, Lobhudelei hat noch niemanden gefördert.
Aber diesmal war etwas dabei, was mich richtig getroffen hat – nicht, weil ich es als ungerechtfertigt empfunden hätte, sondern weil es mich in meinem Selbstverständnis von „so bringe ich Menschen Dinge bei“ getriggert hat. Es ging im Vortrag um eine Frage zu Trade Republic – und ich antwortete, wie ich immer an dieser Stelle antworte:
„Trade Republic ist toll! Aber nicht für Menschen, die sich ernsthaft mit Vermögensaufbau, Altersversorgung und Finanzplanung beschäftigen. Zum Traden und spekulieren zwischendurch ist das super, aber zu einem strategischen und planvollen Umgang mit den eigenen Finanzen gehört es sich, das in Ruhe zu machen. An einem Schreibtisch mit einem ausreichend großen Bildschirm, damit man alle Zahlen gut lesen kann. Mit einer Tastatur, die groß genug ist, dass man sich nicht die Finger bricht, wenn man eine Wertpapierkennnummer eingibt. Papier, Stift und Taschenrechner griffbereit. Ausgeschlafen und mit genügend Zeit und Muße.
Denn es ist verdammt ärgerlich, wenn man aus Versehen – weil man eben nicht achtsam genug war -, einen EMU-ETF zu kaufen, obwohl man eigentlich einen EM-ETF kaufen wollte.
Deine Finanzen und damit Du selbst verdienen es, dass Du sorgsam mit ihnen umgehst, das geht nicht eben mal so, am Handy, zwischen Tür und Angel!“
Meine Supervisionärin sagte, dass ich an dieser Stelle im Vortrag einige der Teilnehmenden verloren hätte!
Zu direkt, zu bestimmend und zu restriktiv wäre ich gewesen. Ich hätte denjenigen, die schon bei Trade Republic Kunde sind, vor den Kopf gestoßen und ein paar andere verschreckt. Für jüngere Menschen wäre die Idee, sich wie auf die beschriebene Art von mir gefordert, mit ihren Finanzen zu beschäftigen, geradezu abstoßend und negativ konnotiert „oldschool“.
Schnell muss es gehen. Einfach muss es sein.
Wenn ich also will, dass sie verstehen, wie wichtig der sorgsame und achtvolle Umgang mit ihrem Geld für ihren finanziellen Erfolg ist, müsste ich das anders kommunizieren. Diplomatischer, weicher, viel weniger direkt.
Puh. Das hat gesessen.
Ich verstehe mich nicht als restriktiv. In meiner Welt darf alles sein. Jeder Mensch ist anders und jeder ist gut so, wie er ist. (Fast jeder. Auch ich habe meine Grenzen.)
Wer mich bucht / mir zuhört, will ja meine Kompetenz, meine Erfahrung und meine Sicht der Dinge. Dazu gehört aber auch die finanzbezogene Abwandlung von „Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu“, die da lautet: ‚Wenn Du willst, dass das Geld gut zu Dir ist, musst Du gut zum Geld sein!‘
Damit ist jedes beiläufige, unachtsame und sorglose finanzielle Handeln ausgeschlossen. Und ich bin nicht in der Lage (und das empfinde ich tatsächlich als Defizit meinerseits), diese Wahrheit so zu verpacken, dass sie auch denjenigen schmeckt, die sie nicht hören wollen.
Und nun stellt sich die Frage: Bin ich zu alt für die junge Kundschaft? Oder ist die junge Kundschaft noch nicht alt genug für mich?
Letzteres kann ich ausschließen. Ich gebe ja auch Geldunterricht für Teenager ab ca. 15 Jahren und hier habe ich noch keine:n Schüler:in damit verloren, dass ich zu deutlich gewesen wäre. Sie verstehen auf Anhieb, was ich mit der Abwägung von „Ja, dafür ist ein solches Fintech wunderbar geeignet!“ und „Nein, wenn es um ernsthafte Summen und große Entscheidungen geht, ist der schnellste, billigste und einfachste Weg nicht unbedingt der Beste!“ meine.
Ich könnte wetten, dass ein Großteil meiner ehemaligen Schüler:innen sowohl ein Spieldepot bei TR, als auch ein „ernsthaftes“ Depot bei einer althergebrachten Direktbank hat.
Also bin ich wohl zu alt für die junge Kundschaft. Zumindest für einige.
Das ist okay für mich. Nicht, dass ich sie nicht als Kunden wollen würde, aber mir ist klar geworden, dass ich diejenigen, die ich wegen solcher Aussagen wie oben verliere, in ihrem momentanen Finanzentwicklungs-Stadium nicht erreichen kann. Generationsgleiche Coaches wie z.Bsp. Madame Monepenny, oder Fortunalista, (by the way: Warum gibt es denn eigentlich keine Finanzcoaches für Männer?) sprechen ihre Sprache besser.
Die Lösung!
Ich werde mir überlegen, wie ich meine Botschaft – die Sorgfalt und Achtsamkeit im Umgang mit Geld – weiterhin kraftvoll vermittle, ohne die Leichtigkeit und den Sinn für Tempo zu verlieren, den meine jüngeren Zielgruppen schätzen. Vielleicht heißt das, dass ich künftig zwei Versionen meines Vortrags anbiete: eine „Quick-Start“-Variante, in der ich in fünf Minuten zeige, wie sich Trading-Apps sinnvoll in den Alltag integrieren lassen, und eine „Deep-Dive“-Variante, in der wir uns gemeinsam an Schreibtisch, Papier und Taschenrechner setzen und langfristige Pläne schmieden. Vielleicht wird so auch deutlich, was ich damit meine, was den Unterschied im Arbeiten Mobil vs. Desktop bedeutet.
So kann jeder selbst entscheiden, wann ihm welche Herangehensweise hilft – und ich bleibe meiner Überzeugung treu: Wer sein Geld genauso liebevoll behandelt, wie es uns das – im Idealfall – zurückgibt, legt den Grundstein für echten Vermögensaufbau. Ob junge:r Smartphone-Trader:in oder erfahrene:r Planer:in am Schreibtisch, mein Ziel bleibt dasselbe: Mit Klarheit, Kompetenz und Empathie Wege aufzeigen, die uns langfristig sicher und selbstbestimmt machen. Letztlich bin ich überzeugt, dass Ehrlichkeit und Kompetenz immer wirken – man muss sie nur im richtigen Ton servieren. Ich arbeite dran.
Hallo Frau Weiß, liebe Anette,
Menschen die genau deine Erfahrung und dein Wissen benötigen bzw. suchen die finden dich, und buchen Dich auch.
Das genau macht dich und deine Kompetenz aus.
Manchmal braucht man jemanden, der klar, ehrlich und kompetent die richtigen Worte findet, gerade wenn es um Vermögensaufbau und Umgang mit den Finanzen geht.
Liebe Anne,
das ist Balsam für meine feedbackgeschundene Seele! 😉
Nein, im Ernst jetzt: Ich denke auch, dass ich nicht für jede Mentalität die richtige Beraterin bin (deshalb liegen mir ja auch Konkurrenzgedanken ziemlich fern) – und hoffe, dass diejenigen, für die ich der passende Deckel auf ihr Töpfchen bin, mich schon finden werden.
Ganz herzlich grüßt
Anette