Du hast dein Depot gut aufgebaut, über Jahre hinweg klug investiert, vielleicht sogar schon für deine Altersvorsorge geplant – und dann kommt plötzlich das Finanzamt um die Ecke und will mitkassieren, obwohl du gar nichts verkauft hast – sondern nur weil du Deutschland verlassen hast? Willkommen in der wunderbaren Welt der Wegzugsbesteuerung.
Viele meiner Kundinnen und Kunden wissen überhaupt nicht, dass es so etwas gibt (ich ehrlich gesagt bis vor ein paar Jahren auch nicht. Ich bin erstmalig darauf aufmerksam geworden, als eine GmbH-Kundin von mir nach Portugal ausgewandert ist), – bis sie selbst anfangen, mit dem Gedanken zu spielen, ins Ausland zu ziehen. Ob beruflich, aus familiären Gründen oder einfach, weil man dem deutschen Wetter entkommen möchte: Ein Wohnsitzwechsel kann handfeste steuerliche Folgen haben, mit denen kaum jemand rechnet. Und die schlagen seit 2025 auch bei Fonds-Anleger:innen zu.
Was ist die Wegzugssteuer überhaupt?
Die Wegzugssteuer gibt es, um Kapitalflucht aus Deutschland zu begrenzen oder wenigstens zu erschweren. Für „kleine“ Vermögen, normale Renten-Aussteiger und die meisten digitalen Nomaden hat diese Steuer kaum Bewandtnis, aber Wikipedia hat mir ein Beispiel erzählt, bei welchem ich dann doch sehr gut nachvollziehen kann, warum der (Zitat) „Gesetzgeber eine Neuordnung des deutschen Außensteuerrechts im Jahr 1972 beschloss: Hintergrund war eine Debatte um Steuerflucht, die der deutsche Kaufhaus-Unternehmer Helmut Horten lostrat. Horten war 1968 mit seiner Frau Heidi in die Schweiz übergesiedelt und wandelte im selben Jahr seinen Kaufhauskonzern Horten von einer GmbH in eine AG um. In den Folgejahren verkaufte er schrittweise seine gesamten Anteile für 1,13 Mrd. D-Mark. Hierauf fiel nach Schweizer Rechtslage keine Steuer an, und in Deutschland war Horten nicht mehr steuerpflichtig.“ (Zitat Ende)
Kurz zusammengefasst besteuert die Wegzugsteuer im Grundsatz langjährige (mindestens sieben der letzten zwölf Jahre) in Deutschland ansässige Privatleute, die eine Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen halten: Sie werden bei Wegzug oder Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland so behandelt, als würde diese Beteiligung verkauft und der – fiktive! – Gewinn wird versteuert.
Wenn du als Kapitalgesellschafts-Anteilseigner:in Deutschland also den Rücken kehrst und in ein anderes Land ziehst, behandelt das Finanzamt das so, als würdest du all deine Anteile einer GmbH oder AG verkaufen – obwohl du sie in Wirklichkeit gar nicht verkauft hast.
Und jetzt kommt die Neuerung, die Du wenigstens mal gehört haben solltest, nämlich: Das gilt nicht nur für große Unternehmer mit GmbH-Beteiligungen oder Tech-Startups, seit 2025 wurde diese Besteuerung auch auf Investmentfonds ausgeweitet.
Fonds als stiller Sprengsatz im Depot
Denn Fondsanteile – egal ob aktiv gemanagt oder ETFs – gelten steuerlich gesehen als Anteile an Kapitalgesellschaften – und genau da setzt die neue Erweiterung an. Bevor Du Dich aber jetzt aufregst, weil Du Angst hast, die letzten Jahr(zehnte) in eine Steuerfalle hineininvestiert zu haben, möchte ich Dich beruhigen.
Dir kann jetzt, wo Du um die Sachlage weißt, nichts mehr passieren, wenn Du ein ganz klein wenig aufpasst (und die Gesetzgebung nicht zukünftig auf noch andere Ideen kommt):
Um nämlich in die Steuerfalle bei Wegzug zu tappen, musst Du mehr als 500.000,- €uro in einen einzelnen Fonds gekauft haben – etwas, was ich aus Anlageberatersicht auch bei größeren Vermögen sowieso für nicht sonderlich sinnvoll erachte.
Wenn Du also mit der Idee spielst, der deutschen Steuerpflicht irgendwann mal dauerhaft zu entfliehen, brauchst Du eigentlich nur ab jetzt nur im Hinterkopf zu behalten, dass Du nicht mehr als 500.000,- Euro in einen einzelnen Fonds / ETF investierst – kaufst Du im Laufe der Jahre jeweils 480.000,- in 6 (8, 10…) verschiedene Fonds, hast Du kein Problem. (Bitte hier daran denken, dass Du dann nicht die Funktion „Automatische Wiederanlage“, die einige Broker wie Flatex oder die Ing. für ausgeschüttete Dividenden zur Verfügung stellen, nutzen solltest! Es wäre verdammt ärgerlich, wegen jährlich automatisch wieder angelegter Dividenden aus Versehen über die 500.000,- Grenze zu rutschen und damit alle Gewinne des Fonds sofort komplett steuerpflichtig zu machen.)
Ansonsten bleibt nur zu beachten, dass Du nicht mehr als 1 % Beteiligung an einem Fonds hältst (denn da greift die 500.000,- Euro-Grenze nicht) – das dürfte aber sowieso nur diejenigen betreffen, die sich nicht mit „normaler“ Geldanlage beschäftigen, sondern diejenigen, die tatsächlich zur Steuervermeidung einen Fonds gründen, um darin Vermögenswerte „unterzubringen“.
Ich bin aber jetzt schon drüber: Gibt es Ausnahmen oder Aufschubmöglichkeiten?
Ja, die gibt es. Aber wie so oft: kompliziert.
Seit 2022 gibt es z. B. die Möglichkeit eines zinslosen Steueraufschubs, wenn du in ein EU-/EWR-Land ziehst und bestimmte Bedingungen erfüllst. Aber Achtung: Diese Regelungen ändern sich laufend – und Aufschub ist eben nicht gleich Steuerfreiheit.
Außerdem: Sobald du dann irgendwann wirklich verkaufst – z. B. viele Jahre später im Ausland – kommt die Steuer doch wieder auf den Tisch. Dann aber unter Umständen zu anderen Bedingungen. Und die Übersicht zu behalten, wer wann was nachversteuern muss, ist dann oft eine Herausforderung selbst für Profis.
Mein Rat: Wegzug immer strategisch planen
Wer plant, Deutschland zu verlassen, sollte nicht nur ans Ausmisten und Kistenpacken denken – sondern auch an die steuerlichen Folgen. Lass Dich von spezialisierten Steuerberatern aufklären, was Dich in der alten und in der neuen Heimat auch im Hinblick auf Dein Vermögen erwartet – bei der praktischen Umsetzung des neuen Know-Hows stehen dann wieder Spezialisten wie ich gerne bereit, Dir zu helfen (in Sachen Steuern haben wir Anlageberater:innen nämlich nur begrenzt was beizutragen, das fällt unter das Steuerberatungsgesetz).
Manchmal lohnt es sich, rechtzeitig umzustrukturieren (z.B. kann ein Wechsel zu Fonds mit anderem Steuercharakter sinnvoll sein) oder bestimmte Fonds zu verkaufen, bevor du offiziell den Wohnsitz abmeldest. Und manchmal kann es sogar bedeuten, dass man besser noch nicht wegzieht und noch ein Jahr wartet, bis alles gerichtet ist.