Kennst Du das? Du öffnest Deinen Renteninformation, siehst die vielen Zahlen und denkst: „Das kann doch nicht so wenig sein!“ Oder schlimmer noch: Du verstehst nur Bahnhof und legst das Ding frustriert beiseite, weil Dir niemand erklärt hat, was da eigentlich drinsteht.
Ich erlebe das dauernd in meinen Beratungen – gerade bei Menschen über 50, die langsam anfangen, sich mit ihrer tatsächlichen Rente auseinanderzusetzen. Und dann kommt der Schock: Die Zahl, die da steht, ist nicht die Zahl, die später auf dem Konto landet.
Deshalb machen wir heute mal Schluss mit dem Renten-Rätselraten. Ich zeige Dir, was die ganzen Begriffe bedeuten, welche Zahlen wichtig sind und – ganz besonders wichtig – was am Ende wirklich bei Dir ankommt.

Renteninformation ≠ Rentenbescheid?

Fangen wir ganz vorne an: Das, was Du jedes Jahr von der Deutschen Rentenversicherung bekommst, ist eine Renteninformation, kein Rentenbescheid. Einen Rentenbescheid bekommst Du nämlich nur einmal im Leben: dann, wenn Du in Rente gehst (alles, was dann danach kommt, sind Nachträge). Ich muss immer grinsen, wenn Politiker vom jährlichen Rentenbescheid sprechen, denn dann weiß ich schon, dass sie sich eigentlich nicht mit der Materie auskennen und nur irgendwas nachplappern, was sich in ihrem Sinne gut anhört…
Also: Du bekommst bis zum Renteneintritt jährlich eine Information der Deutschen Rentenversicherung darüber, was Du an gesetzlicher Rente zu erwarten hast, wenn Du in Rente gehst. Mit 67 (oder auf Antrag auch früher) bekommst Du dann Deinen Rentenbescheid und danach gibt es einen jährlichen Nachtrag des Bescheides mit der aktuellen Anpassung Deiner einmal beschiedenen Rente (Anpassungsmitteilung).
Du bekommst diese Info ab dem 27ten Lebensjahr (wenn Du bis dahin schon 5 Jahre rentenversicherungspflichtig gearbeitet hast) einmal im Jahr zugeschickt. Manche werfen ihn weg (bitte nicht!), manche legen ihn ungelesen in einen Ordner (auch nicht ideal) und manche starren ratlos auf ihre Zahlen.

Die Zahlen in dem umrahmten Kästchen beschreiben Dir Deinen Rentenanspruch in drei verschiedene Szenarien:

  1. Die oberste Zahl ist das, was Du ab sofort bekämst, wenn Du jetzt so krank würdest, dass Du keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kannst und deshalb voll erwerbsgemindert wärest. Diese Erwerbsminderungsrente würdest Du bei fortgesetzter Krankheit / Erwerbsminderung bekommen, bis Du offiziell in Rene gehst (also bis 2).
  2. Die mittlere Zahl zeigt Dir, was Du bisher bereits an Rentenanspruch erarbeitet hast – aber erst ab offiziellem Rentenbeginn (also mit 67) erhältst. Wenn Du also heute aufhörst zu arbeiten (weil Du im Lotto gewonnen hast oder so) und keine weiteren Versicherungsbeitrage mehr gezahlt werden, ist diese Zahl das, was Du mit Deinem regulären Renteneintrittsalter mindestens als Rente bekommen wirst (bisher erarbeitete Regelaltersrente).
  3. Diese unterste Zahl ist die Spannendste, denn sie sagt Dir, welche Rente Du mit 67 bekommst, wenn Du weiter so verdienst und Versicherungsbeiträge einzahlst wie bisher (wobei „bisher“ der Durchschnitt Deines Gehaltes der letzten 5 Jahre bedeutet): Es ist die Hochrechnung Deines Rentenanspruchs unter der Voraussetzung, dass nichts unvorhergesehenes passiert und Du Deinen Job einfach so weitermachst.

Klingt erstmal praktisch. Ist es auch – wenn man versteht, was dahintersteckt.

Was heißt „Hochrechnung“ – und warum ist sie trügerisch?

Auf der Renteninfo steht also die Prognose: „Wenn Sie bis zum Renteneintritt weiter so einzahlen wie bisher, bekommen Sie XY Euro Rente.“
Das klingt beruhigend. Ist es aber nur bedingt.
Denn diese Hochrechnung geht von drei großen Annahmen aus:

  1. Du arbeitest bis zum regulären Rentenalter durch – ohne Unterbrechung, ohne Krankheit, ohne Arbeitslosigkeit.
  2. Dein Einkommen steigt analog der Steigerung des Durchschnittsentgelts der rentenversicherungspflichtigen Versicherten (Du bekommst also jedes zukünftige Jahr die gleichen Rentenpunkte gutgeschrieben wie die der letzten 5 Jahre im Schnitt).
  3. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben so wie sie gerade sind.

In der Realität ist das selten der Fall. Menschen werden krank, verlieren ihren Job, gehen in Teilzeit, pflegen Angehörige. Das Leben passiert. Und jede dieser Lebenswirklichkeiten beeinflussen Deine tatsächliche Rente.

Deshalb: Behandle die Hochrechnung als Best-Case-Szenario, nicht als Garantie. Rechne lieber konservativ und plane mit etwas weniger.

Die Zahl, die keiner so recht verstehen will: Die Bruttorente

Auf der ersten Seite Deiner Renteninfo prangt sie also: Deine zukünftige monatliche Rente, das Ergebnis Deiner lebenslangen Arbeit. Das ist die Zahl, die die meisten im Kopf haben, wenn sie von „meiner Rente“ sprechen. Und oft sieht sie auf den ersten Blick gar nicht mal so schlecht aus: mit 2.300,- bis 2.900,- sollte sich ja ganz gut Leben lassen, wenn man keine so riesigen Ansprüche hat und die meisten finanziellen Verpflichtungen (Kredite, Kinder) weggefallen sind.

Aber – und jetzt kommt der erste Haken (ja, es gibt derer 2. Es kommt noch schlimmer.) – das ist nicht das, was auf Deinem Konto landet.

Diese erwartete Rente ist (dank der Agenda 2010, die uns die nachgelagerte Besteuerung der Renten beschert hat) nämlich Deine Bruttorente – und damit ist es der Betrag vor Abzügen, denen Du Dich nicht entziehen kannst. Wie beim normalen Arbeitslohn, gehen von Deinem Rentengehalt nämlich jetzt (Stand 2025) noch ab:

  • Gesetzliche Krankenversicherung (i.d.R. ca. 7,3 % + kassenindividueller Zusatzbeitrag, meist um die 1,7 %)
  • Pflegeversicherung (ca. 3,4 %, für Kinderlose 4,0 %)
  • Steuern (je nachdem, wie hoch Deine Rente ist und wann Du in Rente gehst. Aber: Es gibt Grund- und andere Freibeträge und es wird dank der gesunkenen Progressionsstufe deutlich weniger.)

Das bedeutet: Wenn auf Deiner Renteninfo 2.200,- Euro erwartete Bruttorente steht, tust Du gut daran, vorsichtshalber 15 – 20 % pauschal gedanklich abzuziehen – denn wer weiß, was dem Gesetzgeber noch einfällt, bis Du in Rente gehst: Weniger Abzüge als heute werden es sicherlich nicht.
Ich hoffe, Du bist jetzt nicht zu sehr schockiert. Aber es hilft ja nichts, Du musst das wissen: diese Bruttorente darfst Du eben nicht als Deine tatsächliche Rente betrachten.

Der zweite Haken: Verlust der Kaufkraft

Auch wenn Du es nicht mehr hören / lesen magst: Die Inflation schmälert Deine Netto-Rente noch mehr. Auch hier nutzt es Dir nicht, wenn Du Dir die Finger in die Ohren steckst (oder die Hand vor Augen hältst) und laut das Pipi-Langstrumpf-Lied („Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt…!“) singst.
Bis Du in Rente gehst – sei es in 5, 10 oder 15 Jahren – geht die Inflation weiter. Das heißt, Deine Dir ausgewiesene erwartete Rente abzüglich des von Dir vorsorglich bedachten Abzugsbetrags ( = Nettorente) ist nochmal weniger wert, umso länger Du noch bis zur Rente hast (und auch dann hört die Inflation ja nicht auf. Aber das das ist ein Thema für einen anderen Blogbeitrag.).

Ich rechne Dir mal ein Beispiel:
Viktor Futurama (ein Cousin von Gloria Optimista) hat auf seiner Renteninfo stehen, dass er ab 2035 mit 67 (er ist also heute 57 Jahre alt) eine hochgerechnete Rente von 2.700,- Euro erwarten kann. Da er er heutigen Steuer- und Abgabengesetzgebung nicht traut und mit Schlimmerem rechnet, zieht er davon 20 % ( = 540,- KV, Pflege und Steuer) ab und überlegt, ob er mit einer Nettorente von 2.160,- Euro über die Runden käme…
Seine persönliche Inflation (im Gegensatz zur statistischen Inflation die weitaus realere Variante) hat er auf 3,2 % festgelegt.
Wenn wir jetzt mit https://www.zinsen-berechnen.de/inflationsrechner.php  (oder der Geldlehrer-App) ausrechnen, wie viel KAUFKRAFT seine 2.160,- Euro in 10 Jahren noch haben, kommt er auf Waren bzw. Dinge, die heute insgesamt ca. 1.570,- Euro kosten dürfen.
Von 2.700,- auf 1.570,- in 2 Minuten – na, wenn das mal kein Negativ-Rekord ist, weiß ich es auch nicht. Aber: Wenn Viktor mit dieser Summe auskommt, ist – für den Anfang – für ihn alles in Butter.


Für Dich bedeutet das allerdings, dass Du Dir ebenfalls ausrechnen musst, wie hoch Deine erwartete Netto-Rente um Deine persönliche Inflation bereinigt wirklich wert ist: Ohne diese Zahl kannst Du nicht solide abschätzen, ob Du ein Altersversorgungsproblem hast und wie groß es ist.

Ein kleiner Lichtblick – auch ungewiss

Eine – gute – Sache habe ich aber bisher noch unterschlagen. Und zwar die Rentenerhöhungen. Auch dem Gesetzgeber ist ja klar, dass Renten steigen müssen – wie gesagt, die Inflation hört ja nicht auf, wenn wir in Rente gehen.
Die letzten Jahre waren die Rentensteigerungen sogar sehr gut: 2022 war ein Spitzenjahr mit 5,35 % (West), in 2025 waren es 3,74 %. Genauso gibt es aber auch Jahre, in denen es keine Steigerung gibt (zuletzt 2021). Wichtig zu wissen ist: Rückwärts kann es nicht gehen – es wird also niemals eine Minusrunde geben, das ist uns gesetzlich garantiert. Aber Nullrunden – auch mal mehrere hintereinander – könnten uns natürlich schon mal blühen.
Ich habe es auf die letzten 30 Jahre mal nachgerechnet und bin auf rd. 1,6 % Rentensteigerung im Schnitt gekommen, was ich als ziemlich gut erachte. Für die Zukunft würde ich also vorsichtig optimistisch mit 1,5 % Rentensteigerung rechnen (die Pessimisten unter uns nehmen bitte nur 1 %).
Was bedeutet das für unseren Viktor?

Er darf seine inflationsbereinigte Nettorente nochmal um 1,5 % erhöhen, denn diese Rentensteigerungen kommen ihm natürlich zu Gute. (Wo Du die Rentensteigerung einrechnest – ob in der erwarteten Bruttorente, in der Nettorente oder am  Schluss bei der bereinigten Nettorente, ist eigentlich egal – das ist ja das schöne an der Prozentrechnung! 😉 )

Lasst uns nochmal schauen, was das ausmacht:

Seine echte Rente, mit der er sich seinen Lebensunterhalt finanzieren kann, beläuft sich also auf gut 1.800,- Euro. Natürlich ist das immer noch bitter im Vergleich zu den ursprünglich angenommenen 2.700,- Euro Rente – aber wenigstens weiß er es rechtzeitig (nämlich 10 Jahre vor Rentenbeginn) und kann entsprechend handeln: Alles ist besser, als von einer zu kleinen Altersrente überrascht zu werden und keine Handhabe mehr zu haben, um etwas daran zu ändern!

Was Du jetzt tun solltest

Wenn Du Deine Renteninfo das nächste Mal in der Hand hast, schau nicht nur auf die große Bruttorente-Zahl. Schau auf das Kleingedruckte. Rechne Dir aus, was netto übrig bleibt. Und dann frag Dich:

  1. Kann ich davon leben? In dem Lebensstandard, den ich mir wünsche?
  2. Reicht das für meine Fixkosten (Miete, Versicherungen, Lebensmittel)?
  3. Was ist, wenn ich früher aufhöre zu arbeiten – aus gesundheitlichen Gründen oder weil ich es einfach möchte?

Wenn die Antworten unbequem sind (und das sind sie meistens), dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, etwas zu tun. Nicht in 10 Jahren. Jetzt.

Das kann bedeuten:

  • Eine private Altersvorsorge aufzubauen (Riester, Rürup, ETF-Sparpläne, was auch immer zu Dir passt).
  • Deinen Rentenverlauf zu überprüfen – manchmal fehlen Beitragsjahre oder Zeiten sind falsch erfasst.
  • Dich beraten / coachen / finanzbilden zu lassen, welche Stellschrauben Du in der Hand hast und wie sie zu bedienen sind (Vermögensumbau / strategische Geldanlage, Steueroptimierung, Zusatzeinnahmen usw.)

Die Renteninfo ist kein Hexenwerk – aber sie ist auch kein Märchenbuch, in dem am Ende alles gut wird, obwohl Du nichts tust. Sie ist eine Bestandsaufnahme. Und die kann durchaus ein Weckruf sein.
Falls Du Deine persönliche Situation besprechen möchtest – was bedeuten die die Zahlen auf Deiner Renteninfo konkret für Dich, welche Lücken gibt es, was kannst Du noch tun – dann lass uns reden. Natürlich im Orientierungsgespräch erstmal kostenlos und unverbindlich.

Buch Dir einfach einen Termin: https://frau-finanzbildung.tucalendi.com/allgemein/orientierungsgepraech

Bis dahin: Schau Dir Deine Renteninfo nochmal an. Mit neuen Augen. Ohne Panik – aber bitte auch nicht mit Scheuklappen.

Deine Anette